ilo wcms 2014Genf. - Die Verwirklichung des Menschenrechts auf soziale Sicherheit bleibt dem Großteil der Weltbevölkerung nach wie vor verwehrt. Nur 27 Prozent der globalen Bevölkerung haben Zugang zu umfassenden sozialen Sicherungssystemen, 73 Prozent haben nur partielle oder gar keine Absicherung. Das geht aus dem "Weltbericht zur sozialen Sicherung 2014/15" der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervor, der am Dienstag in Genf veröffentlicht worden ist.

Der Bericht warnt auch vor dem Sozialabbau in Europa. Die ILO beklagt, dass die Verwirklichung des Menschenrechts auf soziale Sicherheit dem Großteil der Weltbevölkerung verwehrt bleibe. Die soziale Sicherung spielt eine wichtige Rolle für die Verringerung von Armut und Ungleichheit und für die Unterstützung von inklusivem Wachstum. Sie verbessert das Humankapital und die Produktivität, stützt die Inlandsnachfrage und erleichtert den Strukturwandel in Volkswirtschaften.

Soziale Sicherungsmaßnahmen seien ein wesentliches Element aller Bemühungen, die Rechte von Kindern zu verwirklichen, ihr Wohlbefinden sicherzustellen, den Teufelskreis von Armut und Anfälligkeit zu durchbrechen und allen Kindern zu helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, erklärte die ILO. Trotz der starken Ausweitung einiger Programme berücksichtigten bestehende soziale Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichend den Bedarf an Einkommenssicherheit von Kindern und Familien. Dies gelte insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und einem großen Anteil von Kindern in der Gesamtbevölkerung.

Jeden Tag sterben laut ILO-Bericht etwa 18.000 Kinder, hauptsächlich an vermeidbaren Ursachen: Viele dieser Todesfälle könnten durch angemessene soziale Sicherung verhindert werden. Der sozialen Sicherung kommt auch eine wichtige Aufgabe bei der Prävention von Kinderarbeit zu, weil sie die wirtschaftliche Abhängigkeit von Familien verringert, Kindern den Schulbesuch ermöglicht und sie vor Ausbeutung schützt.

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, so die ILO, habe eindrücklich die Bedeutung der sozialen Sicherheit als Menschenrecht dargelegt. In der ersten Krisenphase (2008–09) habe die soziale Sicherung eine wichtige Rolle als Teil einer expansiven Politik gespielt. Mindestens 48 Länder mit hohem und mittlerem Einkommen kündigten Konjunkturpakete mit einem Gesamtvolumen von 2,4 Billiarden US-Dollar an, wovon ungefähr ein Viertel in antizyklische soziale Sicherungsmaßnahmen investiert wurde. In der zweiten Krisenphase (seit 2010) gingen Regierungen trotz der dringend notwendigen weiteren staatlichen Unterstützung schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen zur Haushaltskonsolidierung über. 2014 dürfte sich der Grad der Ausgabenanpassung der öffentlichen Hand beträchtlich intensivieren: Laut Prognosen des IWF werden 122  Länder, davon 82 Entwicklungsländer, gemessen am BIP ihre Staatsausgaben senken.

Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung sind Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung nicht auf Europa beschränkt: Viele Entwicklungsländer haben Anpassungsmaßnahmen beschlossen. Zu diesen zählen die Abschaffung oder Verringerung von Nahrungsmittel- und Brennstoffsubventionen; Lohnkürzungen oder -deckelungen, auch für Gesundheits- und Sozialfürsorgepersonal; die Rationalisierung und engere Zielgruppenauswahl von Sozialleistungen; sowie Reformen von Renten- und Gesundheitsversorgungssystemen.

Wie aus dem ILO-Bericht hervorgeht, prüfen viele Regierungen auch die Möglichkeit der Anhebung von Verbrauchssteuern, etwa der Mehrwertsteuer auf Grundbedarfsprodukte, die auch von armen Haushalten konsumiert werden. In Entwicklungsländern wurde ein Teil der Einsparung aus diesen "Anpassungen", beispielsweise aus der Abschaffung von Subventionen, zur Einführung von eng begrenzten Sozialhilfeleistungen für die Ärmsten verwendet. In Anbetracht der großen Zahl gefährdeter einkommensschwacher Haushalte in Entwicklungsländern, sind der ILO zufolge weitere Anstrengungen erforderlich, um den fiskalischen Spielraum zur Deckung des Bedarfs an sozialer Sicherung der Bevölkerung zu vergrößern.

Besonders beachtenswert sind aus der Sicht der ILO die entgegengesetzten Tendenzen in reicheren und ärmeren Ländern: Während viele Länder mit hohem Einkommen ihre sozialen Sicherungssysteme beschneiden, weiten viele Entwicklungsländer mit mittlerem Einkommen sie aus. Sie stärken auf diese Weise ihre nationalen, Nachfrage-gestützten Wachstumsstrategien: "Dies ist ein eindrucksvolles Lehrstück in puncto Entwicklung", so die ILO. China beispielsweise habe einen allgemeinen Deckungsgrad der Altersrenten fast erreicht und Löhne erhöht, Brasilien habe die Ausweitung des Deckungsgrads der sozialen Sicherung und des Mindestlohns seit 2009 beschleunigt.

ILO-Weltbericht zur sozialen Sicherung 2014/15


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