altFrankfurt a.M. - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern klargestellt, dass die Abschiebungshaft in Dublin-Verfahren überwiegend rechtswidrig ist. Damit ist der Großteil aller Abschiebehäftlinge von dem Urteil betroffen. Das stellt PRO ASYL, die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge fest. Die betroffenen Personen müssten daher umgehend freigelassen werden. Innerhalb kürzester Zeit sei dies die zweite höchstrichterliche Ohrfeige für die exzessive Anwendung der Abschiebungshaft in Deutschland. Bereits letzte Woche hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Inhaftierung von Abschiebehäftlingen in normalen Justizvollzugsanstalten gemeinsam mit Strafhäftlingen rechtswidrig sei. 

PRO ASYL fordert, dass die Urteile bundesweit das Ende der Abschiebungshaft einleiten müssten, mindestens aber ihre drastische Reduzierung. Ein aktueller Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium plane jedoch das Gegenteil: Er soll die gerade vom Bundesgerichtshof abgeschaffte Dublin-Haft zur Regel machen. Hierfür sorge eine "maßlose" Ausweitung der Haftgründe. Allein die Bestimmung, dass in Haft genommen werden kann, wer ein anderes EU-Land während eines laufenden Asylverfahrens verlassen hat, würde die Gefängnisse füllen. Sechs weitere neue Haftgründe würden dazu führen, dass sich bei nahezu jeder Fallkonstellation ein Haftgrund finden ließe. Vor dem Hintergrund des BGH-Urteils darf allerdings bezweifelt werden, dass die geplanten Generalklauseln einer rechtlichen Überprüfung standhalten würden.

Da die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in der Strafhaft vom Bundesgerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde, müssten zahlreiche Bundesländer derzeit Flüchtlinge aus der Haft entlassen. Es sei allerdings zu befürchten, dass die Bundesländer Flüchtlinge nun in gemeinsamen Spezialeinrichtungen inhaftieren, um dem vom EuGH verordneten Trennungsgebot genüge zu tun. PRO ASYL fordert demgegenüber, zunächst alles zu tun, um Haft zu vermeiden, statt große und teure Spezialeinrichtungen zu betreiben.

Amtsrichter sollten dem Freiheitsgrundrecht für Ausländer künftig den Raum einräumen, der einem Grundrecht gebührt. In viel zu vielen Fällen müsse der BGH amtsrichterliche Entscheidungen zur Abschiebungshaft nachträglich korrigieren. Jeder unrechtmäßig angeordnete Hafttag ist einer zu viel. Der Hannoveraner Rechtsanwalt Peter Fahlbusch zum Beispiel habe seit 2002 knapp 900 Inhaftierte vertreten. In jedem zweiten Fall habe sich die Haft sich als rechtswidrig erwiesen. Insgesamt hätten seine Mandanten 11.860 Tage unschuldig und unrechtmäßig in Haft gesessen. 

„Haft ist kein Selbstzweck und Flucht ist kein Verbrechen. Wir fordern ein Ende der Abschiebungshaft“, betont Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von PRO ASYL. „Vom Amtsrichter bis zur Bundesregierung: Die Urteile müssen ein Weckruf sein, den hohen Wert des Freiheitsrechts nun endlich anzuerkennen.“

Quelle: proasyl.de 


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