antarktis geographical 200Potsdam. - Allein durch das Abschmelzen des Eises in der Antarktis kann der globale Meeresspiegel um eine Spanne zwischen einem und 37 Zentimeter ansteigen. Das zeigt eine neue Studie eines Wissenschaftler-Teams, die vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) geleitet wurde. Die Klimaforscher warnen Politiker, dass das Risiko des "worst case"-Szenarios nicht unterschätzt werden sollte, zumal auch das Arktis-Eis im Rekordtempo schmilzt.

Erstmals hat ein internationales Team von Wissenschaftlern auf der Basis physikalischer Computersimulationen eine umfassende Einschätzung des Beitrags der Antarktis zum globalen Meeresspiegelanstieg vorgelegt und hierbei die Unwägbarkeiten in Ozean und Atmosphäre quantitativ berücksichtigt. Die Studie kombiniert eine ganze Reihe aktueller Klimamodelle und Beobachtungsdaten mit verschiedenen Eis-Modellen, so das PIK in einer Medienmitteilung vom Donnerstag. "Die Berechnungen reproduzieren den in den letzten zwei Jahrzehnten beobachteten Beitrag der Antarktis zum Meeresspiegelanstieg und zeigen zugleich, dass der Eiskontinent viel eher als bisher angenommen am stärksten zum Meeresspiegelanstieg beitragen könnte", warnt das PIK.

"Wenn die Treibhausgas-Emissionen weiter ansteigen wie bisher, könnte der Eisverlust in der Antarktis bereits in diesem Jahrhundert den globalen Meeresspiegel um weitere 1 bis 37 Zentimeter erhöhen", sagt Leitautor Anders Levermann. "Das ist eine große Spanne - und das ist auch der Grund, warum wir es ein Risiko nennen: Die Wissenschaft muss deutlich über solche Unsicherheiten sprechen, damit Entscheidungsträger in den Küstengebieten und Metropolen wie Shanghai oder New York die möglichen Auswirkungen in ihre Planungsprozesse einbeziehen können", sagte Levermann.

ANTARKTIS TRÄGT DERZEIT WENIGER ALS 10% ZUM GLOBALEN MEERESSPIEGELANSTIEG BEI

antarktis-eis pik winkelmannDie Wissenschaftler haben analysiert, wie die steigenden globalen Durchschnittstemperaturen zu einer Erwärmung des Ozeans rund um die Antarktis führen und damit das Schmelzen des antarktischen Schelfeises beeinflussen. Bislang trägt die Antarktis weniger als zehn Prozent zum globalen Meeresspiegelanstieg bei und leistet damit im Vergleich zur thermischen Ausdehnung der sich erwärmenden Ozeane und den schmelzenden Gletschern nur einen relativ kleinen Beitrag. Es sei allerdings zu erwarten, so das PIK, "dass Grönland und besonders der antarktische Eisschild mit seinem enormen Eisvolumen zum größten Faktor für den künftigen langfristigen Anstieg des Meeresspiegels werden". Allein der marine Eisschild der Westantarktis berge das Potenzial, den Meeresspiegel über mehrere Jahrhunderte hinweg um mehrere Meter anzuheben.

Die berechneten Projektionen für den Beitrag der Antarktis zum Meeresspiegel-Anstieg in diesem Jahrhundert übersteigen am oberen Ende der Bandbreite deutlich die neuesten Projektionen des Weltklimarats. Selbst in einem Szenario mit ambitionierten klimapolitischen Maßnahmen im Einklang mit dem 2-Grad-Ziel würde der Beitrag der Antarktis zum globalen Meeresspiegelanstieg noch einen Bereich von 0 bis 23 Zentimeter abdecken.

MEHRERE HUNDERT MILLIONEN KÜSTENBEWOHNER BETROFFEN

"Der steigende Meeresspiegel ist eine sich verstärkende, fortlaufende Folge des Klimawandels, die sich auf mehrere hundert Millionen Küstenbewohner weltweit auswirken kann und indirekt finanzielle Kosten für weitere Milliarden von Menschen bedeuten kann", erklärte Ko-Autor Robert Bindschadler vom NASA Goddard Space Flight Center in den USA. "Diese Studie leistet einen entscheidenden Beitrag zu den Projektionen möglicher künftiger Auswirkungen der abnehmenden Eismassen auf den Meeresspiegel, in der nicht nur die Unsicherheit der Eisschild-Modelle sondern auch der starke Einfluss von Klima und Meeren, die die Eisschild-Modelle auszeichnen, gründlich berücksichtigt wurden. Milliarden von Dollar, Euro, Yuan usw. stehen auf dem Spiel - vorausschauende und auf Kostenkontrolle bedachte Entscheidungsträger brauchen diese Art von nützlichen Informationen von wissenschaftlichen Experten."

Während die Studie aus der Sicht des PIK einen wichtigen Schritt zu einem besseren Verständnis der Antarktis im Klimawandel und des Einflusses der Region auf den Meeresspiegel im 21. Jahrhundert darstellt, gibt es weiterhin große Herausforderungen in der Modellierung. Die Datensätze zur Topografie des antarktischen Untergrunds beispielsweise seien noch immer unzureichend und einige physikalische Interaktionsprozesse zwischen Eis und Ozean könnten noch nicht gut genug simuliert werden.

"Bemerkenswert" sei, so das PIK, "dass die Ergebnisse der Studie bereits für dieses Jahrhundert gelten, während gleichzeitig alle 19 verwendeten umfassenden Klimamodelle darauf hinweisen, dass sich die atmosphärische Erwärmung mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Jahrzehnten auf die antarktischen Schelfeise auswirken werden. "Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Antarktis vor allem auf lange Sicht an Bedeutung gewinnt", sagte Levermann. "Schaut man aber auf das Gesamtbild, könnte das antarktische Eis schon viel früher als erwartet den größten Betrag zum weltweiten Meeresspiegelanstieg liefern."

Artikel: Levermann, A., Winkelmann, R., Nowicki, S, Fastook, J.L., Frieler, K., Greve, R., Hellmer, H.H., Martin, M.A., Meinshausen, M., Mengel, M., Payne, A.J., Pollard, D., Sato, T., Timmermann, R., Wang, W.L., Bindschadler, R.A. (2014):
Projecting Antarctic ice discharge using response functions from SeaRISE ice-sheet models
Earth System Dynamics, 5, 271-293 [DOI: 10.5194/esd-5-271-2014]

Foto: PIK/Winkelmann

Quelle: www.pik-potsdam.de

 

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