HDR 2006Kapstadt/Berlin (epo.de). -  2,6 Milliarden Menschen müssen ohne eine gesundheitlich unbedenkliche sanitäre Entsorgung leben. Der am Donnerstag veröffentlichte "Bericht über die menschliche Entwicklung 2006" des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) stellt dar, welche Folgen diese sanitäre Krise in vielen Ländern im Süden der Welt hat. Zugleich ordnet er die Wasser- und Sanitärprobleme in globale Entwicklungskrisen ein. Der Human Development Report (HDR) 2006 trägt den Titel "Nicht nur eine Frage der Knappheit: Macht, Armut und die globale Wasserkrise". Frank Kürschner-Pelkmann hat den Bericht analysiert.

Fast die Hälfte der Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika leben ohne Toilette und müssen das Abwasser in den nächsten Bach oder auf die Straße schütten. Im UNDP-Bericht wird Mary Akinyi aus dem Slumgebiet Kibera am Rande der kenianischen Hauptstadt Nairobi zitiert: "Die Zustände hier sind furchtbar. Überall ist Abwasser. Es verschmutzt unser Wasser. Die meisten Leute nehmen Eimer oder Plastiktüten als Toilette. Unsere Kinder bekommen ständig Durchfall und andere Krankheiten wegen des großen Drecks."

Besonders Kleinkinder leiden unter den Folgen dieser sanitären Probleme. Der UNDP-Bericht verweist darauf, dass in Peru nachgewiesen wurde, dass der Einbau von Spültoiletten die Säuglingssterblichkeit um 59 Prozent vermindert. Zum Fehlen von sauberem Wasser und Toiletten heißt es: "Jedes Jahr sterben 1,8 Millionen Kinder an den Folgen von Durchfall - das sind 4.900 Todesfälle pro Tag ... In der Summe sind unsauberes Wasser und schlechte Sanitärversorgung weltweit die zweitgrößte Todesursache bei Kindern."

Mädchen und Frauen sind besonders betroffen, wenn Toiletten fehlen, denn gerade in Slumgebieten raubt die Notwendigkeit, tagtäglich für die Notdurft irgendein halbwegs sicheres Versteck zu suchen, ihnen einen beträchtlichen Teil ihrer ohnehin gefährdeten Würde. Gibt es in Schulen keine benutzbaren Sanitäranlagen, so bricht ein großer Teil der älteren Mädchen frühzeitig den Schulbesuch ab.

Ein Ziel im Rahmen des Millenniums-Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen ist es, bis 2015 den Anteil der Menschen zu halbieren, der ohne eine sanitäre Entsorgung auskommen muss. Im UNDP-Bericht wird allerdings prognostiziert, dass Afrika südlich der Sahara bei Fortsetzung der gegenwärtigen Trends dieses Ziel erst 2076 erreichen wird. In Äthiopien kann bisher nur ein Siebtel der Bevölkerung gesundheitlich unbedenkliche Toiletten nutzen.

Beim Bau privater Toiletten spielen Fragen der Macht und der Armut, also die zentralen Themen des Berichts, eine große Rolle. Neben der absoluten Armut vieler Familie ist auch wichtig, wie das wenige Geld eingesetzt wird: "Frauen messen der Sanitärversorgung meist größere Bedeutung zu als Männer, doch weibliche Prioritäten fallen bei der Haushaltsplanung weniger ins Gewicht."

Eine weitere Schwierigkeit in vielen Gesellschaften besteht darin, dass sanitäre Themen als ein Tabu angesehen werden, über das man nicht spricht. Wird diese Barriere überwunden, sind wie in Bangladesch große Erfolge möglich. Dort haben soziale Organisationen und Behörden gemeinsam die "Kampagne für umfassende Sanitärversorgung" gestartet. Und obwohl Bangladesch zu den ärmsten Staaten der Welt gehört, bestehen laut UNDP-Bericht gute Aussichten, dass bis 2010 alle Einwohner Zugang zu Sanitäranlagen und -infrastruktur haben werden.

UNDP hat solche erfolgreichen Programme zur Verbesserung der sanitären Situation analysiert und ist zum Ergebnis gekommen: "Die Initiative und Mitwirkung der Bevölkerung vor Ort war dabei ausschlaggebend. Von gleicher Bedeutung war jedoch auch das Interagieren von Regierungsbehörden und lokalen Gemeinwesen."

Nötig sind in armen Ländern zusätzlich Gelder von außen. Gefordert wird in dem UNDP-Bericht deshalb eine Erhöhung der Entwicklungshilfe für Wasser- und Sanitärprojekte um 3,4 bis 4 Milliarden US-Dollar im Jahr. Und optimistisch wird festgestellt: "Mit der Unterstützung durch Geberhilfe sind selbst die ärmsten Länder in der Lage, die Ressourcen zu mobilisieren, die für Veränderungen nötig sind."

Als eine Grundlage für solche Veränderungen setzt UNDP sich dafür ein, die Sanitärversorgung als Grundrecht anzuerkennen. Im UN-Bericht wird Victor Hugo zur Bedeutung einer guten sanitären Entsorgung mit Worten aus "Die Elenden" zitiert: "Die Kloake ist das Gewissen der Stadt."

Human Development Report 2006
UNDP

Der Autor, Frank Kürschner-Pelkmann, betreibt die Website "Wasser und mehr": www.wasser-und-mehr.de


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