ai orgBerlin. - Entführungen, Folter, Brandschatzung und Hinrichtungen sind in Libyen an der Tagesordnung. Rivalisierende Milizen nehmen Rache an anderen Kämpfern, aber auch an unbeteiligten Zivilisten. Das hat Amnesty International in einem neuen Bericht und mithilfe von Satellitenbildern dokumentiert.

"Bewaffnete Gruppen und Milizen laufen Amok, greifen wahllos zivile Gebiete an und begehen völlig straflos unzählige Menschenrechtsverletzungen, von denen einige als Kriegsverbrechen geahndet werden könnten", erklärte Amnesty-Expertin Hassiba Hadj Sahraoui, stellvertretende Direktorin des Nahost- und Nordafrika-Programms der Menschenrechtsorganisation.

Der am Donnerstag veröffentlichte Bericht von Amnesty International, "Rule of the gun: Abductions, torture and other abuses by militias in western Libya", beruht auf 53 Interviews, die ein Team von Amnesty International zwischen dem 25. August und dem 7. Oktober 2014 mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen in West-Libyen führte. Amnesty International dokumentiert darin unzählige Racheakte, die von beiden Seiten begangen werden: Entführungen, Brandschatzung, Folter und andere Misshandlungen, Angriffe auf Journalisten und Vertriebene, sowie summarische Hinrichtungen, Angriffe auf dichtbesiedelte Gebiete, Krankenhäuser und Infrastruktur und weitere mutmaßliche Kriegsverbrechen.

Der Bericht weist gravierende Menschenrechtsverletzungen sowohl seitens der Milizen-Allianz "Dämmerung Libyens", zu der Gruppen aus Misrata, Tripolis und anderen west-libyschen Städten gehören, wie auch seitens der Zintan-Warschafana-Allianz, deren Angehörige aus den Regionen von Zintan und Warschafana stammen, nach. Satellitenbilder, in deren Besitz Amnesty International ist, dokumentieren unter anderem massive Zerstörungen an zivilen Einrichtungen in der Region Warschafana, darunter am Al-Zahra Krankenhaus.

"Die Anführer der Milizen sind verpflichtet, Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht zu verhindern und ihren Kämpfern klarzumachen, dass solche Verbrechen nicht geduldet werden", fordert Hadj Sahraoui. "Tun sie es nicht, könnten sie dafür vom Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden."

Amnesty kritisiert, dass die internationale Gemeinschaft Libyen nach dem Aufstand vom Februar 2011 den Rücken gekehrt hat. "Der Internationale Strafgerichtshof hat noch immer die Aufgabe im Land tätig zu werden, um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären", sagt die Expertin. Auch könnten auf der Grundlage einer UN-Sicherheitsrat-Resolution Reisesperren und Kontensperren gegen Kriegsverbrecher ausgesprochen werden. "Wenn niemand zur Rechenschaft gezogen wird, versinkt Libyen weiterhin in einer Spirale der Gewalt", prophezeit Hadj-Sahraoui.

Amnesty International appellierte an alle Milizen und bewaffneten Gruppen, "sofort und bedingungslos alle entführten und gefangen gehaltenen Menschen freizulassen, die allein aufgrund ihrer Herkunft oder politischen Zugehörigkeit festgehalten werden". "Alle anderen müssen menschlich und nach den Regeln des Kriegsrechts behandelt werden", betonte Hadj-Sahraoui.

Quelle: www.amnesty.de | www.amnesty.org 


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