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Berlin. - Mit harter Kritik haben Germanwatch und Greenpeace auf die jüngsten Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur deutschen Kohleverstromung reagiert. In einem Positionspapier erklärte Gabriel laut Medienberichten: "Man kann nicht zeitgleich aus der Atomenergie und der Kohleverstromung aussteigen." Wer das wolle, sorge für explodierende Stromkosten, Versorgungsunsicherheit und die Abwanderung großer Teile der Industrie.

Dazu erklärte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: "Sigmar Gabriel setzt auf billigen Kohle-Populismus. Er baut mit seinen Vorwürfen gegen Kohlekritiker einen Scheingegner auf. Kein relevanter Akteur im Land fordert den sofortigen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Worum es geht, ist der Einstieg in den Ausstieg." Bals weiter: "Gabriel gibt dem Druck der IG Bergbau, Chemie, Energie nach und versteckt hinter seinen leeren Vorwürfen Mutlosigkeit  beim Verfolgen der Klimaschutzziele. Die IG BCE schützt einseitig die Kohlekumpel und nimmt gleichzeitig den Verlust von Arbeitsplätzen in Gaskraftwerken in Kauf."

Bals bezeichnet es als eine Banalität, dass  der dynamische Übergang in ein erneuerbares Energiesystem durchaus  auf absehbare Zeit  auch noch ergänzende fossile Kapazitäten benötige. "Die Tatsache, dass beim Umbau des Energiesystems noch eine Weile ergänzende fossile Kapazitäten benötigt werden bedeutet nicht, dass bei der Kohle alles beim Alten bleiben kann." Worum es jetzt gehe: Überkapazitäten müssen abgebaut, brandneue Gaskraftwerke, die ungenutzt herumstehen, müssen  wieder rentabel gemacht und Kohlestrom der ältesten, schmutzigsten und längst abgeschriebenen Kohlekraftwerke müsse aus dem Markt gedrängt werden. Dafür sei  ein klima- und wirtschaftspolitisch ausgewogener Energiemix mit immer weniger Kohle notwendig.

Gabriel verstecke seine mangelnde Ambition beim Klimaschutz zudem hinter der Sorge um den Europäischen Emissionshandel. Durch ausbleibende Reformen sei dieser jedoch derzeit wirkungslos. Die Gefahrenabwehr gebiete deshalb, dass ergänzende Maßnahmen zum Einsatz kommen.

Christoph Bals: "Ohne eine zügige Verringerung des Kohlestroms kippt das deutsche Klimaziel von 40 Prozent CO2-Reduktion bis 2020. Denn selbst wenn eine  Strukturreform des EU-Emissionshandels gelingt, wird es bis 2020 keine ausreichenden Anreize für die Reduktion der Kohleverstromung geben." Mindestens 50 Millionen Tonnen CO2 muss der Kraftwerkssektor bis 2020 einsparen, damit Deutschland sein Ziel erreichen kann. Bals warnt: "Die nationale und internationale Glaubwürdigkeit bei Energiewende und Klimaschutz steht auf dem Spiel."

Instrumente wie die geplante Marktstabilitätsreserve im Emissionshandel können die reine Verschiebung von Emissionen innerhalb der EU verhindern und so dafür sorgen, dass nationale Maßnahmen zu mehr europäischem Klimaschutz führen. Germanwatch forderte den Minister auf, anstelle von populistischen Unterstellungen einen Plan vorzulegen, der das Erreichen der Ziele im Klimaschutz, die energiewirtschaftlichen Herausforderungen und die Unterstützung der Betroffenen in der Kohlebranche zusammenbringt.

GREENPEACE: "KLIMASCHUTZ BRAUCHT KOHLEAUSSTIEG!"

Greenpeace-Aktivisten demonstrierten am Dienstag bei der Rede des Wirtschaftsministers auf dem Effizienzkongress der Deutschen Energieagentur (Dena) in Berlin. "Herr Gabriel: Klimaschutz braucht Kohleausstieg!, forderten die Umweltschützer auf Schildern.

Gabriel selbst hatte 2007 als Umweltminister während der UN-Klimakonferenz in Bali verkündet, Deutschlands CO2-Ausstoß werde bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 sinken. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung dieses Ziel erneut bekräftigt. Derzeit jedoch halte Gabriel unbeirrt an seiner "klimaschädlichen Energiepolitik" fest, konstatierte Greenpeace. "Der Kohlekurs des Wirtschaftsministers ist eine klimapolitische Amokfahrt. Steuert Gabriel jetzt nicht um, verfehlt Deutschland sein Klimaziel meilenweit", sagte Niklas Schinerl, Energieexperte von Greenpeace.

Damit Deutschland sein Klimaziel noch erreicht, verhandelt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zurzeit mit den beteiligten Ministerien über zusätzliche Maßnahmen. Das Aktionsprogramm Klimaschutz, das am 3. Dezember vom Kabinett verabschiedet werden soll, muss dafür insgesamt 87 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen. Selbst die Deutsche Industrie- und Handelskammer traut Effizienzmaßnahmen lediglich 25 bis 30 Mio. Tonnen Einsparungen zu. Der Löwenanteil wird mit mehr als 50 Mio. Tonnen aus dem Energiesektor kommen müssen. "Die Zahlen sind eindeutig: Gabriel muss eine Reihe der besonders klimaschädlichen Braun- und Steinkohlekraftwerke vom Netz nehmen. Tut er das nicht, fäll er seiner Parteigenossin Hendricks in den Rücken und opfert das deutsche Klimaziel", so Schinerl.  

EUROPAS EMISSIONSHANDEL OHNE EFFEKT FÜR DEUTSCHLANDS 40-PROZENT-ZIEL

Zuletzt hatten sowohl Gabriel als auch Wirtschaftsvertreter auf den europäischen Handels mit Emissionsrechten als Maßnahme im Klimaschutz verwiesen. Doch auf dieses Instrument darf sich Deutschland bei seinem Klimaziel für das Jahr 2020 nicht verlassen, so Greenpeace. Auch der jüngste EU-Klimagipfel im Oktober habe den darniederliegenden Emissionshandel nicht reformiert. Entsprechend werde der CO2-Preis auf absehbare Zeit auf einem so niedrigen Niveau bleiben, dass er alleine die klimaschädliche Verstromung von Kohle nicht begrenzen werde. "Es ist ein Ablenkungsmanöver, wenn Gabriel jetzt auf den Emissionshandel verweist. Nur ein schrittweiser Kohleausstieg kann das deutsche Klimaziel retten", betonte Schinerl.

Der Weltklimarat rät in seinem jüngsten Bericht klar zu einem Kohleausstieg, um die Folgen des Klimawandels kontrollierbar zu halten. "Das fossile Zeitalter muss bald enden", schreiben die Wissenschaftler. Anders als von Gabriel behauptet, will Greenpeace nicht parallel aus Atom- und Kohleenergie aussteigen. Die unabhängige Umweltschutzorganisation fordert einen schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 und aus der Kohle insgesamt bis 2040.

Quellen: www.germanwatch.orgwww.greenpeace.de


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