Potsdam. - Am zweiten Weihnachtstag jährte sich zum zehnten Mal die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean. Eine Viertelmillion Menschen verlor am 26. Dezember 2004 ihr Leben, fünf Millionen Menschen bedurften der sofortigen Hilfe und 1,8 Millionen wurden obdachlos. Die Katastrophe, die intensive Verwüstung weiter Regionen und das damit verbundene Leid, insbesondere in Indonesien, Thailand und Sri Lanka, sprengte alle Maßstäbe und nahm vor allem deshalb solche Ausmaße an, weil es keine Möglichkeit der Warnung und keine Katastrophenvorsorge gab.

Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft reagierten mit sofortiger Unterstützung. Im Rahmen der deutschen Flutopferhilfe erteilte die Bundesregierung der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren unter Federführung des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ den Auftrag zur Entwicklung eines Tsunami-Frühwarnsystems für den Indischen Ozean. Von 2005 bis 2011 wurde mit dem Großvorhaben GITEWS (German-Indonesian Tsunami Early Warning System) das Kernstück eines integrierten, modernen, leistungsfähigen Tsunami-Frühwarnsystems in Indonesien aufgebaut. Durch das anschließende Ausbildungsprogramm PROTECTS (Project for Training, Education and Consulting for Tsunami Early Warning Systems, 2011-2014) wurde sichergestellt, dass die Mitarbeiter der beteiligten indonesischen Institutionen den Betrieb des Frühwarnsystems sowie die vielfältigen technischen und organisatorischen Komponenten selbstständig und in Eigenverantwortung weiterführen. Zu diesem Zweck wurde mit PROTECTS ab Juni 2011 mit insgesamt 192 Trainingskursen, Praktika und Hands-on-Praxis Kursen, die alle Aspekte von Betrieb und Wartung des Tsunami-Frühwarnsystems abdeckten, ein Beitrag zur Nachhaltigkeit von InaTEWS geleistet.

Unter der Schirmherrschaft der Intergovernmental Oceanographic Commission der UNESCO und unter Mitarbeit internationaler Partnerinstitutionen aus Deutschland, den Vereinigten Staaten, China und Japan, wurde GITEWS in ein Tsunami-Frühwarnsystem für Indonesien integriert. GITEWS wurde im Jahr 2010 durch eine Kommission internationaler Experten positiv evaluiert und im März 2011 an Indonesien übergeben. Seitdem versieht es unter dem Namen InaTEWS – Indonesian Tsunami Early Warning System seinen Dienst und wird durch den Indonesischen Dienst für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik BMKG betrieben. Am 12. Oktober 2011 wurde im Indischen Ozean die Übung IOWAVE11 abgehalten. Dabei wurde erfolgreich geprüft, ob InaTEWS zudem die Rolle eines Regionalen Tsunami Service Provider (RTSP) übernehmen kann. Seitdem agiert Indonesien, neben Australien und Indien, in Doppelfunktion sowohl als National Tsunami Warning Center (NTWC) als auch als RTSP und übernimmt damit die Verantwortung, 28 Staaten rund um den Indischen Ozean vor einem drohenden Tsunami zeitgerecht zu warnen. Auf diese Weise wurde mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der vollständige Ausbau von InaTEWS erfolgreich realisiert.

Indonesien verfügt heute über eines der modernsten Tsunami-Frühwarnsysteme. Dieses warnt maximal fünf Minuten nach einem Beben auf der Basis der Daten von rund 300 Messstationen. Dazu gehören Seismometer, GPS-Stationen und Küstenpegel. Die Daten der Sensoren werden über modernste Auswertesysteme, wie das vom GFZ entwickelte SeisComP3 zur Analyse von Erdbeben, und ein Tsunami-Simulationssystem im Warnzentrum, in ein Lagebild umgesetzt. Mit Hilfe eines Entscheidungsunterstützungssystem werden dann entsprechend gestufte Warnungen für die betroffenen Küstenabschnitte ausgegeben. Am Betrieb des Warnzentrums in Jakarta sind über 70 Personen beteiligt, davon etwa 30 ausschließlich im Schichtbetrieb. Seit der Übergabe im März 2011 wurden mit dem Erdbebenmonitoring- und Tsunami-Frühwarnsystem nach Angaben des BMKG 1709 Erdbeben mit einer Magnitude größer als M= 5 und vierzehn Beben mit Magnitude 7 und größer ausgewertet und zu acht Ereignissen Tsunami-Warnungen an die Öffentlichkeit ausgegeben.

Breiten Raum nahmen Schulung, Ausbildung und Befähigung zur Katastrophenvorsorge auf der lokalen Ebenefür Gemeinden und Stadt- bzw. Distriktverwaltungen ein. Dieses Capacity Development wurde seit 2006 in drei „typischen“ Regionen durchgeführt: Padang (Sumatra), Cilacap (Süd-Java) und Denpasar (Bali, Touristen-Hochburg). Im Fokus standen das Verstehen der Warnmeldungen und Evakuierungsmaßnahmen. Mit den lokalen Entscheidungsträgern wurden lokale Desastermanagement-Strukturen aufgebaut und Vorsorge-Strategien entwickelt. Dazu gehörte insbesondere die Ausbildung von einheimischen Trainern, die die entwickelten Konzepte in die Breite tragen sollen. Hazard- und Risikokarten dienen als Grundlage für die lokalen Evakuierungs- wie auch Stadt- bzw. Raumplanungen. Auf der Urlaubsinsel Bali wurde die Hotelindustrie aktiv mit eingebunden. Insgesamt wurden Maßnahmen, Regelwerke und fachliche Guidelines auf lokaler und nationaler Ebene in Zusammenarbeit mit der neugegründeten indonesischen Katastrophenschutzbehörde BNPB entwickelt, die zur Umsetzung der Warnmeldungen in praktisches Schutzhandeln führen. Indonesien hat in den letzten Jahren zudem mit eigenen Mitteln die Katastrophenschulung der Bevölkerung und die Verbreitung der Warnmeldungen weiter verbessert. Kein Frühwarnsystem kann ein starkes Erdbeben und einen dadurch ausgelösten Tsunami verhindern; auch zukünftig wird es immer wieder zu Todesopfern und größeren Sachschäden kommen. Aber durch den Aufbau eines Frühwarnsystems unter Einbeziehung organisatorischer Maßnahmen und durch umfassendes Capacity Building können die Auswirkungen solcher Naturkatastrophen gemindert werden.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft, Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ


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