Berlin. - Die Umwelt- und Entwicklungsorganisationen Germanwatch und Oxfam zeigten sich enttäuscht von dem am Donnerstag beschlossenen Kompromiss um den Beitrag der Energiebranche zum deutschen Klimaziel. "Die Kohlelobby feiert sich als Sieger. Sie hat ein Instrument abgeschossen, mit dem kostenverträglich sichergestellt worden wäre, dass der Stromsektor seinen Teil des deutschen Klimaziels erreicht", sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Mit dem Aus für die Klimaabgabe verspielt Bundeskanzlerin Angela Merkel jegliche klimapolitische Glaubwürdigkeit", erklärte Oxfams Kohle-Experte Bastian Neuwirth.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat die notwendigen CO2-Reduktionen in der Stromerzeugung bis 2030 bereits benannt. Einen Löwenanteil der notwendigen 200 Mio. Tonnen CO2 wird der Kraftwerkssektor erbringen müssen. Laut Germanwatch sind die mittel- und langfristigen Ziele der Energiewende parteiübergreifend akzeptiert. Letzte Woche hat das Bundesumweltministerium einen politischen Prozess gestartet, der in den nächsten Monaten festlegen soll, wie die Ziele in Etappen bis 2050 umgesetzt werden.

"Vieles spricht dafür, dass der scheinbare Sieg der Kohlelobby den Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle einleitet." Allen relevanten Akteuren sei nun klar, dass es ab jetzt darum geht, den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle sozialverträglich zu gestalten. "Viele Politiker beteuern im nicht öffentlichen Gespräch, dass sie der fossilen Lobby das letzte Mal die Kohlen aus dem Feuer geholt haben. Und die Unternehmen und Gewerkschaften bereiten sich nach dieser Debatte auf den notwendigen Strukturwandel vor", so Bals.

"Mit Vernunft hat die Entscheidung der Bundesregierung nichts zu tun. Der jetzt beschlossene Alternativvorschlag der Klimaschutzgegner erreicht die nötige Senkung der Treibhausgasemissionen nicht, wird deutlich teuer, bürdet Stromkunden und Steuerzahler Kosten in Milliardenhöhe auf und bringt insbesondere den notwendigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle nicht in Gang. Dass sich Merkel und Gabriel derart vor den Karren der Kohle-Lobby spannen lassen, ist ein Skandal", kommentierte Neuwirth von Oxfam.

Christoph Bals sagte: "Klar ist: Bis etwa 2035 muss der Ausstieg aus der Kohle abgeschlossen sein, wenn die deutschen Klimaziele erreicht werden sollen. Je früher er beginnt, desto sozial- und wirtschaftsverträglicher kann er gestaltet werden. Wer den Strukturwandel blockiert anstatt ihn zu gestalten, erweist den betroffenen Menschen und Regionen einen Bärendienst."
Vattenfall habe dieses Signal verstanden und vor wenigen Tagen bereits den Stopp von Umsiedlungen für neue Tagebaue verkündet. Alle vier großen Energieversorger arbeiten, nach Angaben von Germanwatch an neuen Geschäftsmodellen.

Einen "längst überfälligen Fortschritt" sieht Germanwatch bei der Einigung zum weiteren Ausbau der Stromnetze. Der umfangreiche Prozess zur Weiterentwicklung des deutschen Höchstspannungsnetzes hat gezeigt, dass der Umstieg auf das regenerative Stromsystem zusätzliche Leitungen von Nord- und Ostdeutschland in den Süden braucht. "Dass der Netzausbau nicht weiter von Bayern blockiert wird, macht endlich den Weg frei für die weitere Planung der Stromtrassen", so Bals. Die weitgehende Erweiterung der Erdverkabelung auf der Höchstspannungsebene für Gleichstrom könne allerdings zu Planungsverzögerung beim Großprojekt Südlink wie auch zu erheblichen Mehrkosten führen.

Mit dem Klimakompromiss drohe die Bundesregierung nun ihre Klimaschutzziele zu verfehlen und gibt, laut Oxfam damit auch international ein denkbar schlechtes Bild ab – fünf Monate, bevor in Paris ein weltweites Abkommen gegen den Klimawandel beschlossen werden soll. "Erst vor wenigen Wochen kündigte sie auf dem G7-Gipfel das Ende des fossilen Zeitalters an und ließ sich als wiederauferstandene Klimakanzlerin feiern. Jetzt sind die Bundeskanzlerin und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor der unbelehrbaren Kohle-Lobby eingeknickt", sagte Neuwirth.  "Das ist unverantwortlich gegenüber den Menschen in den armen Ländern, für die der Klimawandel schon heute bittere Realität ist".

Quellen: germanwatch.org | oxfam.de


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