evbZürich. - Die ägyptische Bevölkerung profitiert kaum von klinischen Versuchen mit Medikamenten, die in ihrem Land durchgeführt werden. Wie aus einer neuen Studie der Erklärung von Bern (EvB) hervorgeht, werden die in Ägypten getesteten Medikamente dort zum Teil gar nicht zugelassen – oder sie sind so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten kann. Zudem seien Medikamententests für viele Ägypterinnen und Ägypter oft die einzige Chance, eine Behandlung zu erhalten. Für die EvB verstoßen die verantwortlichen Pharmafirmen damit gegen internationale ethische Richtlinien.

"Die Basler Firmen Roche und Novartis, die die Hälfte aller klinischen Versuche in Ägypten durchführen, nehmen ihre Sorgfaltspflicht in Bezug auf die ethische Durchführung klinischer Versuche nicht wahr", kritisierte die Erklärung von Bern.

Klinische Versuche in politisch instabilen Schwellenländern wie Ägypten seien "ethisch heikel", so die EvB. In Ägypten sei die Hälfte der Bevölkerung nicht krankenversichert. Die Teilnahme an klinischen Versuchen – die stets Risiken beinhalte – sei für viele die einzige Möglichkeit, an Behandlungen zu kommen, die sie sich sonst nie leisten könnten. Unter diesen Umständen könne man kaum von einer freiwilligen Teilnahme an einem klinischen Versuch sprechen.

Mit seinen über 90 Millionen Einwohnern, den relativ gut ausgerüsteten Kliniken und den tiefen Kosten gehöre Ägypten laut EvB aber zu den beliebtesten Destinationen für klinische Versuche. Im Februar 2016 seien 57 aktive Versuche erfasst worden, wovon über die Hälfte Test von Krebsmedikamenten beträfen. Die Basler Pharmaunternehmen Roche und Novartis hätten dabei das Feld angeführt: Sie seien für 28 dieser Versuche verantwortlich. In den Jahren der politischen Wirren nach dem "arabischen Frühling" 2011 sei die Zahl der klinischen Versuche nicht etwa zurückgegangen, sondern sogar noch gestiegen.

Der Nutzen der Versuche für die breite Bevölkerung ist nach den Recherchen der EvB dabei gering: Novartis und Roche hätten beteuert, sie würden klinische Versuche nur in Ländern vornehmen, in denen das Medikament danach auch tatsächlich auf den Markt gebracht werden solle. Die Studie der EvB zeige jedoch, dass dies in Ägypten nicht der Fall sei. "Ein Drittel der Medikamente, deren Test wir untersucht haben, sind in Ägypten im Gegensatz zu Europa oder den USA nicht zugelassen. Und viele der zugelassenen Medikamente kann sich kaum jemand leisten: Manche der Präparate von Novartis oder Roche kosten das 15- bis 20-fache des gesetzlichen Mindestlohns in Ägypten."

"Klinische Versuche in einem instabilen Umfeld, von denen die lokale Bevölkerung danach kaum profitieren kann, verletzen internationale ethische Standards", stellte die EvB fest. Zudem sei der Schutz der Versuchsteilnehmenden nicht ausreichend: So werde etwa deren adäquate Nachbehandlung nach den Versuchen nicht sichergestellt. In Ägypten würden zudem ohne ersichtlichen Grund auch risikoreiche Frühphasentests durchgeführt, was ethisch fragwürdig sei. Die zu diesem Punkt befragten Unternehmen hätten keine überzeugenden Erklärungen liefern können.

"Die ägyptischen Behörden müssen dringend eine nationale Gesetzgebung und Überprüfungsmechanismen schaffen, die den Schutz der Teilnehmenden an klinischen Versuchen gewährleistet", fordert die EvB. Die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel Swissmedic müsse klinische Versuche in Entwicklungs- und Schwellenländern strenger auf ethische Gesichtspunkte hin kontrollieren. Und die Schweizer Pharmaunternehmen stünden in der Verantwortung, das Recht auf Gesundheit der Versuchsteilnehmenden zu gewährleisten, indem sie ethische Risiken ihrer Versuche evaluieren und Missstände möglichst beheben. Eine solche Sorgfaltsprüfung verlange auch die von der EvB mitgetragene Konzernverantwortungsinitiative.

Quelle: www.evb.ch 


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