rog logo neuBerlin. - Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele 2016 ist im Gastgeberland Brasilien der dritte Journalist in diesem Jahr ermordet worden. Joao Miranda do Carmo betrieb im Bundesstaat Goias eine lokale Nachrichtenwebseite, auf der er oft über Regierungskorruption und Behördenversagen berichtete. Der Fall sei bezeichnend für Brasilien, das seit Jahren zu den Staaten Lateinamerikas gehört, in denen die meisten Medienschaffenden ermordet werden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat am Freitag die Straflosigkeit für Gewalttaten in dem Land in kritisiert. 

Medienkonzentration und politische Einflussnahme behindern, nach Einschätzung von ROG auch drei Jahrzehnte nach dem Ende der Militärdiktatur noch immer einen unabhängigen Journalismus. Der Mord erinnere in drastischer Weise daran, wie gefährlich für Journalisten die tiefsitzende Kultur der Straflosigkeit für Gewalttaten in Brasilien ist. Polizei und Justiz müssen die Täter und Auftraggeber schnell finden und zur Rechenschaft ziehen“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Die brasilianische Regierung sollte dringend einen Warn- und Schutzmechanismus für bedrohte Journalisten schaffen, um der Gewalt und dem Justizversagen in vielen Landesteilen etwas entgegenzusetzen, schlägt die Organisation vor.

Nicht zuletzt wegen der konstant hohen Zahl von Drohungen und Gewalt gegen Journalisten steht Brasilien nur auf Platz 104 von 180 auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Allein 2015 wurden dort sieben Journalisten ermordet. 2012 erreichte diese Zahl ihren bisherigen Höchststand von elf; fünf der Morde standen eindeutig im Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit der Opfer. 

Die Opfer sind meist Journalisten, die über Tabu-Themen wie Korruption oder organisierte Kriminalität recherchiert haben. Die Täter werden nur selten bestraft. Hinter den Gewalttaten und verbalen Anfeindungen stecken oft lokale Politiker oder Behörden. Andere Taten sind, laut ROG offenbar als Rache für kritische Berichte über Verbrechen oder Polizeigewalt zu verstehen. Besonders in ländlichen Gebieten können Verbrecherbanden oft damit rechnen, ungestraft davonzukommen. Auch vor Wahlen häufen sich immer wieder Drohungen und Angriffe, berichtet die Organisation. 

Um dem in vielen Ländern stagnierenden Kampf gegen Straflosigkeit für Gewaltverbrechen an Journalisten neue Impulse zu geben, setzt sich Reporter ohne Grenzen derzeit intensiv für die Schaffung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten ein. Er sollte direkt dem UN-Generalsekretär unterstehen und die Befugnis zu eigenständigen Untersuchungen haben, wenn Staaten nach Gewalttaten gegen Journalisten nicht ermitteln.


ERMORDET MIT SIEBEN SCHÜSSEN

Der nun im Alter von 54 Jahren ermordete Carmo war Betreiber und Chefredakteur der Webseite SAD Sem Censura („SAD unzensiert“, in der Kleinstadt San Antonio do Descoberto nahe Brasilia. Er hatte der Polizei mehrmals von Drohungen im Zusammenhang mit seiner journalistischen Arbeit berichtet. Am vergangenen Sonntag fuhren Unbekannte mit einem Auto vor seinem Haus vor, gaben sieben Schüsse auf ihn ab und entkamen unerkannt. Die Polizei hatte zunächst keine eindeutige These zu den Hintergründen der Tat und schloss einen Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit Carmos nicht aus. Reporter ohne Grenzen geht bei Carmo wie auch bei den beiden anderen seit Jahresbeginn ermordeten Journalisten von einem Zusammenhang mit ihrer Arbeit aus.

Vor dem Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Turbulenzen der vergangenen Monate habe die Gewalt gegen Journalisten in Brasilien zugenommen. Immer wieder geht die Militärpolizei bei Demonstrationen gewaltsam gegen Reporter vor. Einheimische wie ausländische Journalisten müssen bei Straßenprotesten mit Beschimpfungen, Drohungen und willkürlichen Festnahmen rechnen. Auch Demonstranten reagieren immer wieder feindselig auf Reporter, die sie mit den politischen Tendenzen der jeweiligen Medienhäuser identifizieren, berichtet ROG.

Schon bei den 2013 begonnenen Sozialprotesten des „brasilianischen Frühlings“ war die Berichterstattung wichtiger traditioneller Medien in die Kritik gekommen, weil viele der Demonstrierenden in ihnen Repräsentanten des politischen Systems sahen. Seit Reporter ohne Grenzen diese Problematik im selben Jahr in dem Länderbericht "Das Land der 30 Berlusconis" beschrieb, habe sich an der Lage nichts gebessert. 

=> Weitere Informationen über die Lage der Medien in Brasilien 

=> Länderbericht "Das Land der 30 Berlusconis"

Quelle: reporter-ohne-grenzen.de


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