New York/Berlin (epo). - Fünf Jahre nach der Verabschiedung des UN-Aktionsprogramms gegen den illegalen Handel mit Kleinwaffen (UNPoA) treffen sich vom 26. Juni bis 7. Juli Regierungsvertreter, Delegierte internationaler und regionaler Organisationen sowie Beobachter aus der Zivilgesellschaft in New York, um über die Fortschritte zu diskutieren. Die deutsche Sektion des Kinderhilfswerkes UNICEF und das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) haben aus diesem Anlass ein bindendes internationales Abkommen gefordert, das den Handel mit Kleinwaffen besser kontrolliert. Die deutsche Regierung soll dabei Vorreiter sein.

"Die Bundesregierung muss in New York auf konkrete und verpflichtende Regelungen drängen, auch wenn einige Staaten dies offenbar verhindern wollen", sagte die UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis. "Kleinwaffen sind die wahren Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Sie bringen jedes Jahr 500.000 Menschen den Tod, darunter Tausende Kinder und Jugendliche."

Mit Schusswaffen wie Pistolen und Maschinengewehren werden nach Angaben des BICC heute mehr Menschen getötet als mit allen anderen Waffensystemen. Schätzungsweise neun von zehn Kriegsopfern sterben durch Kleinwaffen. Sie sind billig, leicht und einfach zu bedienen. "Erst durch die Verfügbarkeit von Gewehren wie dem russischen AK-47 oder dem deutschen G 3 wird möglich, dass weltweit rund 250.000 Kinder als Soldaten missbraucht und zum Töten gezwungen werden", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von UNICEF und BICC.

Friedensbemühungen wie derzeit in der Demokratischen Republik Kongo wÜrden durch die massenhafte Verbreitung von Kleinwaffen erheblich erschwert, so die beiden Organisationen. UNICEF und BICC fordern deshalb, dass überschüssige Waffen weltweit eingesammelt und vernichtet werden.

FORTSCHRITTE SIND UNBEFRIEDIGEND

"Die Fortschritte seit der ersten internationalen Kleinwaffenkonferenz vor fünf Jahren sind unbefriedigend", erklärte Peter Croll, Geschäftsführer des BICC. "Denn das damals beschlossene Aktionsprogramm hat viele Lücken und ist nicht rechtsverbindlich. Staaten, die es missachten, müssen keinerlei Konsequenzen befürchten. Wir brauchen ein verbindliches Abkommen zum Waffenhandel, das Kriterien wie Menschenrechte und Konfliktsituationen streng berücksichtigt."

Weltweit gibt es rund 600 Millionen Kleinwaffen - umgerechnet kommt eine Waffe auf zehn Menschen. Schon Zehnjährige könnten mit einem Gewehr wie der Kalaschnikow AK-47 das Töten lernen, monieren UNICEF und BICC. "Martialisch aussehende Minderjährige mit einem Sturmgewehr sind zum traurigen Symbol der jüngsten Kriege vor allem auf dem afrikanischen Kontinent geworden. In den meisten aktuellen Kriegen und Konflikten spielen Kleinwaffen eine entscheidende Rolle."

Dies gelte auch für den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo. Obwohl während der achtjährigen Auseinandersetzungen kaum große Waffen oder flächendeckende Bombardierungen eingesetzt wurden, seien vier Millionen Menschen - 2,8 Millionen von ihnen allein im Osten des Landes - getötet worden. Kinder seien wie erwachsene Zivilisten direkte Kriegsopfer, wenn marodierende Banden Dörfer überfallen.

"Es ist in erster Linie ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Oft sind die Kämpfe zwischen den bewaffneten Banden sogar eher unblutig. In Ituri waren zum Beispiel bei einer Kampfhandlung zwischen zwei Kriegsparteien unter den 30 Todesopfern nur zwei bewaffnete Milizionäre", sagt Johannes Wedenig, Leiter der UNICEF-Programme im Ostkongo.

Zusätzlich leiden Kinder stärker als Erwachsene unter den indirekten Kriegsfolgen wie dem Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung, Mangelernährung und fehlendem Trinkwasser. Oft können sie nicht mehr zur Schule gehen ,und haben deshalb auch nach dem Ende der Kämpfe keine Aussicht auf eine bessere Zukunft.

Die Folgen: "Kleinkinder sterben doppelt so häufig an den Kriegsfolgen wie Erwachsene. Kinder unter fünf Jahren machen im Ostkongo nur 19 Prozent der Bevölkerung aus. Doch unter den Todesopfern lag ihr Anteil bei 45 Prozent. Im Jahr 2004 starben jeden Monat schätzungsweise 12.000 Kleinkinder, das sind 400 pro Tag", so Johannes Wedenig.

Die weite Verbreitung von Kleinwaffen erleichtert den Einsatz von Kindersoldaten. Im Ostkongo kämpften zeitweise 18.000 Jungen und Mädchen, jeder dritte Soldat war ein Kind. Oft wurden Kinder aus Schulen entführt und direkt an vorderster Front in den Kampf geschickt. Mädchen wurden meist auch sexuell missbraucht. Wer versuchte zu fliehen, wurde selbst erschossen. Noch Jahre später leiden die Kinder unter Alpträumen.

Bisher haben UNICEF und Partnerorganisationen nach UNICEF-Angaben mehr als 5.800 Jungen und fast 1.300 Mädchen demobilisiert und zu ihren Familien zurückgebracht. Noch heute leben schätzungsweise 5.000 bis 7.000 Kinder bei bewaffneten Einheiten. Immer wieder flackern Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen auf und behindern den Friedensprozess.

ZENTRALE PROBLEME BESTEHEN WEITER

Fünf Jahre nach der ersten Kleinwaffenkonferenz der Vereinten Nationen beteiligen sich inzwischen 150 Länder an der Umsetzung des seinerzeit beschlossenen Aktionsprogramms. 120 Länder haben über ihre Bemühungen zur Kleinwaffenkontrolle gegenüber den Vereinten Nationen Bericht erstattet. Dies hat zu mehr Transparenz und verbessertem Informationsaustausch beigetragen. Doch die zentralen Probleme, die eine wirksame Kleinwaffenkontrolle bislang verhindern, bleiben bestehen:

? Das vor fünf Jahren beschlossene Aktionsprogramm bezieht sich ausschließlich auf Waffen in staatlichem Besitz. Die schätzungsweise 60 Prozent der Kleinwaffen, die sich in den Händen von Privatleuten oder Milizen befinden, werden nicht erfasst. Dabei dürfte gerade von diesen Waffen die größte Gefahr ausgehen.

? Das Aktionsprogramm befasst sich ausschließlich mit dem Waffenhandel zwischen Staaten. Der Handel mit nichtstaatlichen Akteuren bleibt außen vor. Dem Sicherheitsrisiko durch nicht staatliche bewaffnete Gruppen wie Paramilitärs oder Guerillas, kriminelle und terroristische agierende Einheiten wird nicht Rechnung getragen. Außerdem fehlt es an einheitlichen und rechtlich verbindlichen Richtlinien zum Waffenexport.

? Das gesamte Aktionsprogramm ist 2001 auf Druck einiger Staaten, darunter die USA, Russland und China unverbindlich geblieben. Jedem Staat steht es frei, die darin aufgeführten Maßnahmen umzusetzen. Verstöße werden nicht geahndet. Das Schusswaffenprotokoll, das 2005 als Ergänzung des UN-Abkommens gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in Kraft trat, ist nur für die Staaten verbindlich, die es ratifiziert haben. Weder die USA noch Russland noch die EU haben dies bislang getan. In Deutschland ist eine Ratifizierung jetzt immerhin in Reichweite.

UNICEF und BICC fordern, die Bundesrepublik solle sich für ein verbindliches internationales Waffenhandelsabkommen einsetzen, das Kriterien wie Menschenrechte und Konfliktsituationen berücksichtigt. Waffen müssten nach internationalen Standards gekennzeichnet und registriert und die Gesetze über den Export von Munition nach international einheitlichen Kriterien verschärft werden.

Auch für den zivilen Waffenbesitz und privaten Waffenhandel müssen nach Dafürhalten von UNICEF und BICC rechtsverbindliche Grundlagen und Kontrollmechanismen geschaffen werden. Überschüssige Waffen müssTen weltweit eingesammelt und vernichtet werden. Die Bundeswehr müsse die Verschrottung von G3-Gewehren fortsetzen. Sie habe bislang 360.000 von 400.000 Sturmgewehren vernichtet und damit ihre Zusage gegenüber UNICEF und BICC fast erfüllt.

Mit Blick auf die deutsche EU-Präsidentschaft 2007 solle die Bundesrepublik Vorreiter sein und sich für EU-weit rechtlich verbindliche Rüstungsexportkriterien einsetzen, fordern UNICEF und BICC. Die Bundesregierung solle zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Kleinwaffenkontrolle in Entwicklungsländern einsetzen, sowie Programme zur Entwaffnung und Wiedereingliederung von (Kinder-) Soldaten fördern.

 UNICEF: www.unicef.de
 BICC: www.bicc.de
 Deutsches Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen (DAKS)
International Action Network on Small Arms (IANSA)


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