g8L'Aquila (epo.de). - Die acht führenden Industrienationen haben sich auf das Klimaschutz-Ziel verständigt, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Das Thema stand am Mittwoch auf der Agenda des G8 Gipfels im italienischen L'Aquila. Langfristig bedeutet dies eine weltweite Halbierung der Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2050 gegenüber dem Jahr 1990. Bei Vorgesprächen von 17 Industrie- und Schwellenländern hatten sich vor allem China und Indien geweigert, bindende Verpflichtungen zur Reduzierung ihrer Kohlendioxid-Emissionen zu unterschreiben, ehe konkrete Reduktionsziele und Hilfsmaßnahmen für die ärmsten Entwicklungsländer von seiten der Industriestaaten feststanden. Auch Russland, das den G8 Kompromiss formell unterstützt, signalisierte unterdessen Zweifel an der Umsetzbarkeit der Beschlüsse im eigenen Land.


Die Positionen der westlichen Industriestaaten divergieren ebenfalls noch. Die Mehrheit der Länder folgt der Erkenntnis, dass der globale Ausstoß der Treibhausgas-Emissionen bis 2050 halbiert werden muss, um eine realistische Chance zu haben, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen - das vom Weltklimarat IPCC genannte Ziel, um die Folgen des Klimawandels halbwegs beherrschbar zu halten. Für die Industriestaaten, die den Klimawandel verursacht haben, würde dies eine Verringerung der CO2-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent bedeuten. Einige Länder, darunter die USA, wollen das Bezugsjahr 1990 für die Verringerung aber nicht anerkennen.

Die G8 - die USA, Kanada, Japan, Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Russland - erklärten am Mittwoch, sie seien entschlossen, "den Kampf gegen den Klimawandel anzuführen". Andere Industrie- und Schwellenländern seien dazu aufgerufen, sich aktiv mit zu engagieren, "nach dem Prinzip gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortlichkeiten und entsprechend ihren Möglichkeiten".

ZWEI GRAD ALS GEMEINSAME BASIS

Angela Merkel"Die zwei Grad sind jetzt unsere gemeinsame Basis", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die G8 wollten einen Erfolg der UN-Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen. Bis dahin sei aber noch viel Arbeit zu leisten, sagte Merkel im Hinblick auf fehlende Verpflichtungen zu mittelfristigen Reduktionszielen. "Aber es gibt eben auch einen deutlichen Schritt nach vorne."

Bis zum Jahr 2050 sollen die Treibhausgas-Emissionen weltweit um 50% verringert werden, lautet der Kompromiss in der Erklärung von L'Aquila. Die Industriestaaten sollten als Hauptverursacher der Klimakrise eine Reduktion von 80% im Vergleich zu 1990 anstreben. Länder wie die USA, die das Jahr 1990 als Basisjahr ablehnen, müssten eine entsprechend höhere Emissionsminderung leisten.

Die zentrale Passage der G8-Erklärung lautet:
"We recognise the broad scientific view that the increase in global average temperature above pre- industrial levels ought not to exceed 2°C. Because this global challenge can only be met by a global response, we reiterate our willingness to share with all countries the goal of achieving at least a 50% reduction of global emissions by 2050, recognising that this implies that global emissions need to peak as soon as possible and decline thereafter. As part of this, we also support a goal of developed countries reducing emissions of greenhouse gases in aggregate by 80% or more by 2050 compared to 1990 or more recent years. Consistent with this ambitious long-term objective, we will undertake robust aggregate and individual mid-term reductions, taking into account that baselines may vary and that efforts need to be comparable. Similarly, major emerging economies need to undertake quantifiable actions to collectively reduce emissions significantly below business-as-usual by a specified year."
Russland hatte der Erklärung zugestimmt und damit signalisiert, dass man sich zu einer Emissionsminderung von 80 Prozent bis 2050 verpflichten wolle. Der Wirtschaftsberater von Präsident Dmitri Medwedew, Arkadi Dworkowitsch, erklärte jedoch am Mittwoch abend, Russland könne 80 Prozent "wahrscheinlich nicht erreichen". Russland sei nicht bereit, sein Wirtschaftswachstum allein dem Klimaschutz zu opfern.

Die Beratungen der G8 über den Klimaschutz sollen am Donnerstag in einem erweiterten Kreis mit Schwellenländern wie China und Indien fortgesetzt werden. Während die Schwellenländer offenbar dem generellen Zwei-Grad-Ziel zustimmen wollen, ist eine Einigung mit den G8 auf konkrete Reduktionsziele nicht wahrscheinlich.

NGOs SIND ENTTÄUSCHT

Greenpeace warf den G8 Versagen vor, weil sie keine kurzfristig wirksamen Maßnahmen anvisiert hätten. "Merkel, Obama und Co. haben versagt. Die G8-Chefs sind darin gescheitert, ihrer Verantwortung im internationalen Klimaschutz gerecht zu werden", erklärte Greenpeace-Klimaexperte Tobias Münchmeyer. Mit einer "ehrgeizigen Emissionsminderung um 40 Prozent bis 2020 - gemessen an 1990" hätten sie hingegen "wahre Führungsrolle" zeigen können. Das Abschlussdokument enthalte zudem keinerlei Zusagen für Hilfen bei der Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern. "Greenpeace ist bitter enttäuscht vom Ergebnis dieses ersten G8-Gipfels mit Barack Obama", sagte Münchmeyer.

Die Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) begrüßte die Einigung auf das Zwei-Grad-Ziel, forderte aber auch eine Verpflichtung auf kurzfristigere Reduktionsziele. Der WWF sieht die Industriestaaten in der Pflicht, ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 schon bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu verringern.

Unterdessen ist ein neuer akademischer Streit über die richtige Klimapolitik entbrannt. Ein Report mit dem Titel "How to Get Climate Policy Back on Course", der von der London School of Economics' (LSE) und dem Institute for Science, Innovation & Society der Universtiät Oxford am Dienstag veröffentlicht wurde, erklärt den Versuch für gescheitert, die Erderwärmung über ein globales System der Verringerung der CO2-Emissionen zu stoppen. Gwyn Prins von der LSE verwies auf steigende Treibhausgas-Emissionen - trotz der Verabschiedung des rechtlich bindenden Kyoto-Protokolls. Er schlägt stattdessen vermehrte Anstrengungen für mehr Energie-Effizienz und den Ersatz der auf Kohlenstoff basierenden Energiequellen durch kohlenstofffreie Energie vor.

HILFEN FÜR BAUERN IM SÜDEN

Die G8 verständigten sich auch darauf, den Hunger in den ärmsten Ländern des Südens durch eine stärkere Förderung der Landwirtschaft zu bekämpfen. Im Gespräch sind rund zwölf Milliarden US-Dollar, mit denen Anbaumethoden verbessert werden sollen. Oxfam zweifelte jedoch, ob es sich bei den versprochenen Summen um "frisches Geld" handele.

Oliver BustonAuch der Europadirektor der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation ONE, Oliver Buston (Foto), mahnte, die Ärmsten der Welt benötigten "kein Wiederaufkochen alter Versprechen oder noch mehr Pläne". Notwendig sei sofortiges Handeln, inbesondere vom Gastgeberland Italien. "Premierminister Berlusconi hat nun zwei Tage Zeit, seine verheerenden Hilfekürzungen zu revidieren und seine Glaubwürdigkeit zu retten. Die G8 als Ganzes können ihre Ersthaftigkeit unter Beweis stellen, indem sie am Freitag eine beträchtliche Summe für die Landwirtschaft in Afrika bereit stellten und dafür sorgten, dass es effektiv eingesetzt werde.


G8 Leaders Declaration: Responsible Leadership for a Sustainable Future (PDF, 300 KB)


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