Ich bin Honduraner und habe Deutschland zu meinem zweiten Heimland gemacht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden, diesen Brief zu lesen. Ich bin überzeugt, dass die internationale Gemeinschaft ihre einseitige Position ändern muss, wenn sie in Honduras ein Blutvergießen verhindern und einen echten Beitrag zur Lösung des Problems leisten will. Die Lösung dieser Krise ist nicht allein durch die Wiederkehr von Präsident Manuel Zelaya zu erreichen. Ich würde es als falsch und verantwortungslos bezeichnen, sollte die internationale Gemeinschaft, um Zelaya wieder an die Macht zu bringen, nur Druck auf die jetzige Regierung ausüben und sich dann wieder zurückziehen.

Man muss dringend einen Dialog zwischen den Seiten schaffen. Sonst wird es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Zelayas Anhänger (vor allem Gewerkschaften, Bauern und ethnischen Gruppen) und „Zelayas Feinden“ kommen. Zur letzten Gruppe gehört auch der Verband der protestantischen Kirchen in Honduras, der letzte Woche eine Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmern gegen Zelaya in San Pedro Sula organisiert hat. Meine größte Angst ist, dass dabei viele Menschen ums Leben kommen werden.

Ich kann nachvollziehen, dass die internationale Gemeinschaft einen Präzedenzfall setzen will, um die Wiederkehr von Putschen und Militärdiktaturen in Lateinamerika zu verhindern. Aber sollten sie eine richtige Lösung der Krise in Honduras finden wollen, dann sollten sie auch bereit sein die Situation, die zu dieser Krise geführt hat, zu analysieren. Und wenn sie das tun, dann müssten sie auch Zelayas vorheriges Verhalten kritisieren. Es handelt sich um einen Präsidenten, der gegen das Gesetz des Landes verstoßen hat und die Verfassung des Landes durch illegale und intransparente Vorgehensweisen neu schreiben lassen wollte, um seine Wiederwahl zu ermöglichen. Lassen sie mich Ihnen ein paar Fakten erläutern, die es ermöglichen, die Situation objektiver zu beurteilen:

1.    Die vom Präsidenten geplante Befragung war rechtswidrig.

Das "Referendum" sollte eine Vorabstimmung/Umfrage (Consulta) sein, um zu klären, ob die Bevölkerung einverstanden gewesen wäre, im November zusammen mit der Wahl des Präsidenten und des Kongresses über die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung abzustimmen. Diese Vorabstimmung wurde vom nationalen Amt für statistische Erfassungen organisiert, ohne jegliche externe Kontrolle. Keiner weiß, auf der Grundlage welcher Wahllisten das "Referendum" beruhen sollte. Da in Honduras nur die Wahlkommission/Behörde (Tribunal Supremo Electoral) für die Organisation von Wahlen zuständig ist, hat der Oberste Gerichtshof die geplante Vorabstimmung für rechtswidrig erklärt, ebenso der Generalstaatanwalt Ähnlich haben sich der Ombudsmann für Menschenrechte, Ramon Custodio, und der Präsident des Verbandes der protestantischen Kirche geäußert.

Herr Custodio ist einer der bekanntesten ehemaligen Menschenrechtsaktivisten in Honduras und wurde während der 70er und 80er Jahre vom Militär verfolgt.

2.    Der Präsident hat die legalen Instrumente, die ihm zur Verfügung standen, um das Volk über die neue Verfassung zu befragen, ignoriert.

Ein paar Tage vor der Befragung hat der Kongress ein altes Referendumsgesetz reglementiert, so dass in Honduras ab sofort Referenden stattfinden können. Auf der Grundlage dieses Gesetzes kann der Präsident am Wahltag die Bürger befragen, ob sie mit der Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung einverstanden sind. Demzufolge müsste die Befragung am Wahltag mit den offiziellen Wahllisten und unter Anwesenheit von Wahlbeobachtern stattfinden und sie müsste von der Wahlkommission organisiert werden. Zelaya hielt aber an der von ihm geplanten Art und Weise der Befragung fest.

3.    Der Präsident ebnet sich den Weg, um seine Wiederwahl zu ermöglichen.

Die Opposition kritisiert, dass Zelaya die Verfassung nur ändern wollte, um seine Wiederwahl zu ermöglichen. Nach der jetzigen Verfassung ist die Wiederwahl des Präsidenten nicht möglich. Zelaya hat mehrere Male angekündigt, dass er sein Amt nach der Wahl in November niederlegen würde. Auf der anderen Seite hat er immer wieder betont, dass mit einer neuen Verfassung seine Wiederwahl möglich wäre.

4.    Die "Befragung" wurde am Ende zu einer "Einberufung einer nationalen Verfassungsgebenden Versammlung" gemacht.

Ein Tag vor der geplanten Vorabstimmung veröffentlichte Zelaya eine neues Gesetz des Ministerrates, mit dem der geplanten "Consulta" ein neuer Name gegeben wurde. Die "Consulta" wurde zu einer "Convocatoria Asamblea Nacional Constituyente", einer "Einberufung einer nationalen Verfassungsgebenden Versammlung" umbenannt.

5.    Dieser "Putsch" ist nicht mit denen aus Zeiten des Kalten Krieges zu vergleichen.

Die Militärs hatten einen Haftbefehl gegen Zelaya vom Obersten Gerichtshof. Es wurde keine Militärjunta gewählt, sondern der Präsident des Parlaments, Herr Mitcheletti, wurde zum neuen Präsidenten gewählt, so wie es die Verfassung regelt, sollte der Präsident und Vizepräsident fehlen. Der Ombudsmann für Menschenrechte Herr Custodio war Zeuge bei Mitchelettis Amtseid. In Honduras besteht, wie die Berichterstattung der großen Medien und die Massendemonstrationen gegen Manuel Zelaya in alle großen Städten zeigen, ein parteienübergreifenden Konsens, dass man mit Zelayas Absetzung die Demokratie im Land gerettet hat.

Ich kenne die Militärdiktatur in Honduras nur aus Erzählungen meiner Eltern. Mein Vater war in den 70er und 80er Jahren politisch linksorientiert und wurde von den Militärs teilweise auch verfolgt. Aufgrund dessen habe ich seit meiner Kindheit ein Misstrauen gegen das Militär. Ich bin auch der Meinung, dass unser politisches System und Land ungerecht ist, dass es den armen Leuten kaum Möglichkeiten bietet, um ihre Lebenssituation zu verbessern. Trotzdem bin ich kein Freund von einfachen Lösungen und von Präsidenten, die in einer intransparenten Art und Weise die Verfassung des Landes neu schreiben wollen.

Während des Kaltenkrieges war Honduras Jahrzehnte lang Spielplatz ausländischer Interessen. Ich merke auch, dass in der jetzigen Situation das Wohlergehen des honduranischen Volkes kaum eine Rolle spielt. Chavez und seine Verbündeten können durch die Situation in Honduras von den wirtschaftlichen Problemen in ihren eigenen Ländern ablenken. Andere lateinamerikanische Präsidenten nutzten die Situation zur Profilierung in ihrem einigen Land, zum Beispiel Cristina Kirchner aus Argentinien, die am Sonntag einen Niederlage ihrer Partei bei der Parlamentswahl erlitten hat und sich jetzt bereit erklärt hat, Zelaya bei seinem Rückkehr nach Honduras persönlich zu begleiten. Auch Präsident Obama will seinen neuen Stil mit dieser Krise beweisen. Aber wer macht sich Sorgen um das honduranische Volk? Wir haben es bei Zelaya mit einem Präsidenten zu tun, der glaubt, über dem Gesetz zu stehen. Auf der anderen Seite steht eine Opposition, die das Militär zur Durchsetzung ihre Interesse nutzt, und beide Seiten sind keineswegs zum Dialog bereit. Ich will kein Blutvergießen in Honduras sehen und dafür ist es nötig, dass die internationale Gemeinschaft eine kritischere und hilfsreichere Position zu Honduras einnimmt.

Mit freundlichen Grüßen,

Carlos Villela
Doctoral Fellow / Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE), Ruhr Universität Bochum

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