g8L'Aquila/Berlin (epo.de). - Die Absichtserklärung der G8 Staaten, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen und die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent zu senken, wird von manchen Beobachtern der seit Jahren andauernden Klimaverhandlungen in Medien, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen als Durchbruch gesehen. Doch die Erklärung von L'Aquila hat einen Pferdefuß: Mittelfristige Ziele zur Verringerung der Emissionen - etwa die von Klimaforschern geforderte Reduzierung um 25 bis 40% bis zum Jahr 2020 - finden sich in der Erklärung nicht mehr.

Neben den G8 Staaten USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Russland stimmten am Donnerstag beim Gipfel in L'Aquila auch China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika, Australien, Südkorea und Indonesien dem Mindestkonsens zu, die globale Erwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Doch der Kompromiss rief auch auf kritische Stimmen auf den Plan.

BAN RÜGT UNZUREICHENDE MASSNAHMEN

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte die in L'Aquila beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels "zwar willkommen, aber nicht ausreichend". "Die Zeit für Verzögerungen oder halbe Sachen ist vorüber. Die persönliche Führerschaft eines jeden Staats- oder Regierungschefs ist notwendig, um diesen Moment zu nutzen und die Menschen und den Planeten vor einer der ernstesten Herausforderungen zu schützen, mit der die Menschheit jemals konfrontiert wurde."

Konkret forderte Ban, die entwickelten Ländern müssten "mit gutem Beispiel vorangehen" und feste Verpflichtungen abgeben, ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren, wie dies der Weltklimarat als notwendig erachte. Ban erinnerte daran, die in L'Aquila versammelten Nationen seien für mehr als 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. 

Der Weltklimarat (IPCC) erklärte am 17. Juli, die G8 hätten die Einschätzung des IPCC nicht berücksichtigt, dass die Emissionen bereits ab 2015 nicht mehr steigen dürften. Die Industrieländer hätten "klar formulieren müssen, was sie auf kurze Sicht tun wollen, um die Emissionen zu reduzieren", sagte der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri. "Das haben sie aber nicht getan. Diese Lücke wurde nicht geschlossen."

ATTAC: HEISSE LUFT

Das globalisierungskritsiche Netzwerk Attac sieht die Klimabeschlüsse ebenfalls skeptisch. "Bereits beim G8-Gipfel in Heiligendamm wurde das Klimathema aus PR-Gründen missbraucht, um davon abzulenken, dass auf anderen Gebieten keine Ergebnisse erzielt wurden. Es ist einfach, Versprechen für das Jahr 2050 zu machen, ohne konkrete Zwischenziele und Schritte für deren Erreichen festzulegen", sagte Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. Entscheidend für das Klima sei jedoch, wie die jeweils nationale Energiepolitik aussehe - und da werde weiterhin vor allem auf fossile Energien gesetzt. "Es ist nicht weit hergeholt zu vermuten, dass die Klimabeschlüsse eine ähnliche Karriere machen werden, wie die vollmundigen, aber nie eingelösten Ankündigungen der G8, die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts zu erhöhen", sagte Sundermann.

"Klammheimlich haben sich die Industrieländer von ihren mittelfristigen Zielen verabschiedet - die ebenfalls auf einer Empfehlung der UN-Wissenschaftler basierten", schreibt die Süddeutsche Zeitung. "Die reichen Länder, so regten die Forscher an, sollten bis 2020 ihre klimaschädlichen Emissionen um 25 bis 40 Prozent senken."

Für Joachim Wille von der Frankfurter Rundschau hat die Hoffung, L'Aquila könnte den Klimapoker beenden, getrogen: "Das Spiel um die Erde, bei dem die Staatengruppen nach Kräften bluffen wird, geht weiter. Die Lage ist im Grunde so verzwickt wie vorher. Schwellenländer wie China - inzwischen vor den USA zum größten globalen Klimasünder geworden - geben zwar zu: Auch sie müssen künftig ihren Emissionszuwachs kappen und dann richtig auf die CO2-Bremse steigen. Nur festlegen wollen sie sich nicht, denn die Industrieländer sollen erstmal für sich selbst ambitionierte CO2-Ziele für 2020 aufstellen und viel Geld für Klimaanpassung und grüne Technologie an die Schwellen- und Entwicklungsländern. Umgekehrt gilt: Die EU, USA, Australien und Co wollen nicht die Katze im Sack kaufen, indem sie sich auf zig Milliarden Klimahilfe jährlich festlegen, ohne zu wissen, ob China und Co. ihren fairen Teil der CO2-Einsparlast tragen werden. Beide Seiten haben Recht. Aber solange beide nur Recht haben wollen, geht es nicht voran."

Das Neue Deutschland kritisiert: " Wenige Monate vor der UN-Konferenz in Kopenhagen, bei der ein wirkungsvoller globaler Klimaschutzvertrag auf den Weg gebracht werden soll, arbeiten sich die wichtigsten Regierungen an Binsenweisheiten ab." Selbst die Halbierung der Emissionen bis 2050 habe in L'Aquila auf der Kippe gestanden. "Vor allem die Industriekonzerne versuchen seit Monaten, die Wirtschaftskrise zu nutzen, um neue Klimaschutzvorgaben zu verhindern bzw. bestehende aufzuweichen."

Alan Fisher, Korrespondent des Senders Al Jazeera beim G8 Gipfel, hält es für fair zu betonen, dass die USA, Japan und Russland erstmals in dieser Form Reduktionsziele genannt haben. Er zitiert aber auch Greenpeace-Programmdirektor Ananth Guruswami mit den Worten: "Trying to keep temperatures to a two degree rise is nothing new. The science tells us that. We needed something bold and we were left disappointed."


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