Wer die Ziele und Schwerpunkte in der Beschreibung der Entwicklungszusammenarbeit im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP liest, wird in wesentlichen Passagen glauben, eine Zusammenfassung der "Entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesrepublik Deutschland für die zweite Entwicklungsdekade" vor sich zu haben. Alles was damals, d.h. 1973 unter dem SPD-Entwicklungsminister Erhard Eppler, als sinnvoll angesehen wurde, ist auch hier wieder zu finden. Allerdings mit einer auffälligen Ausnahme: die Frauen finden zum ersten Mal in der deutschen Entwicklungspolitik keine Erwähnung mehr.

Keine Rolle spielen auch zentrale entwicklungspolitische Erfahrungen der letzten 40 Jahre. Treu und brav wird daher weiterhin gesagt, man strebe an – im Rahmen der haushaltmäßigen Möglichkeiten – das 0,7 % Ziel zu verwirklichen, d.h. den Einsatz von Steuermitteln mehr als zu verdoppeln. Dabei wird übersehen, dass seit der Formulierung dieses Zieles in den 60er Jahren sehr viele Entwicklungsländer keine mehr sind und vor allem, dass das Übermaß an Hilfe die meisten afrikanischen Staaten ärmer und korrupter gemacht hat, als sie Anfang der 70er Jahre waren.

Die Überschüttung der Entwicklungsländer mit Steuergeldern aus dem Ausland bezeichnet auch die kommende Regierung als "Hilfe zur Selbsthilfe", "Stärkung der Selbsthilfekräfte", "mehr Eigenverantwortung". Auch diese Regierung schließt vor der Tatsache die Augen, dass die Millionen von Projekten der staatlichen, aber auch der privaten Hilfe meistens nicht viel länger existierten, als sie subventioniert wurden.

Neu ist, dass "Schwellenländer", die allerdings gar keiner finanziellen Hilfe bedürfen, diese "schrittweise gegen Entgelt" erhalten sollen. Wird davon China Gebrauch machen, das z.Z. sein Zuviel an Kapital hauptsächlich den USA gegen Entgelt zur Verfügung stellt? Oder will Deutschland Brasilien, das gerade dabei ist, eine zweiprozentige Kapitaleinfuhrsteuer einzuführen, um den Zufluss von Finanzkapital zu reduzieren, Finanzmittel gewähren?

Die Entwicklungsländer, aber auch die deutschen Steuerzahler schreien geradezu nach einer Reform der Entwicklungshilfe, aber die neue Bundesregierung tut so, als lebten wir in der Steinzeit der entwicklungspolitischen Erkenntnisse. Eine regierungspolitisch wichtige Chance droht vertan zu werden.

Dr. Heinrich Langerbein, Bonn

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