Silence - Suresh SawantZürich (epo.de). - Mehr als 70 vornehmlich zeitgenössische Zeichnungen geben vom 20. November 2009 bis 13. Juni 2010 im Völkerkundemuseum der Universität Zürich einen Einblick in die vielfältige indische Karikaturenlandschaft und die lebhafte Entwicklung, die dieses Genre erfahren hat. Für die Ausstellung "Indien im Blick" waren in einer landesweiten Ausschreibung in Indien Karikaturisten eingeladen worden, ihre Arbeiten vorzustellen.

Aus der Fülle der eingereichten Werke wurden in einem zweistufigen deutsch-indischen Auswahlverfahren die Exponate für die Ausstellung bestimmt. 24 herausragende, überwiegend zeitgenössische Karikaturisten sind nun in der Ausstellung zu sehen, darunter auch Zeichnungen des berühmten indischen Karikaturisten R.K. Laxman und von O.V. Vijayan, einem der bekanntesten Schriftsteller Indiens, der 2005 verstorben ist. Ergänzt wurde die Präsentation um einige wenige Arbeiten aus den zurückliegenden Jahrzehnten.

Die politische Karikatur in Indien ist westlichen Ursprungs. Als Kolonialherren war es den Briten vorbehalten, in Indien Zeitungen zu gründen, die erste wohl "The Bengal Gazette", 1780 in Kolkotta (Calcutta), oder später, 1876, die bekanntere, heute noch erscheinende Zeitung "The Statesman", ebenfalls in Kolkotta. Erst mit den Gazetten öffnen sich Funktion und Raum für das Genre der politischen Karikatur auch in Indien – zunächst nur für britische Karikaturisten, denen aber indische Zeichner nicht nachstehen wollten. Sie waren zunehmend motiviert durch die stärker werdende Befreiungsbewegung seit etwa 1885, aber bis zur Unabhängigkeit 1947 mal mehr, mal weniger im zensierenden Griff der britischen Krone.

Bekannte Namen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren Barjorij Naorosji, Subramania Bharati, Muhahammad Sajjad Husain und Jatin Sen, um nur einige zu nennen. Als herausragend galt der Neffe von Rabindranath Tagore, Gaganendranath Tagore, der die Karikatur in Bengalen zu einer hohen Kunst entwickelte. Der berühmte Karikaturist R.K. Laxman (1924 geboren) weist auf die reiche Kultur Indiens hin, ob nun Bildhauerei, Schnitzerei, Dichtung, Malerei und Zeichnung – all dies blüht in Indien schon seit Jahrhunderten. Es gab damals bereits Satire und Humor in Folklore und Dichtung; Monarchen und ihre Gefolgschaft wurden dabei schon einmal auf die Schippe genommen. Aber die Kunst der grafischen Satire, diese Art des Humors, war unbekannt.

Silence - Suresh Sawant

So hat die Karikatur erst mit den Briten in Indien Wurzeln geschlagen. Grosse Ausstrahlung muss die 1841 in Grossbritannien gegründete Wochenzeitung "British Comic Weekly", ein Karikaturenblatt, auch "Punch" genannt, gehabt haben. Von dort kommt der Begriff "cartoon", der auf das italienische Wort "cartone" zurückgeht und einen grossen Bogen Papier benennt, auf dem Künstler ihre Skizzen entwarfen. "Punch" hat viele Nachahmer ähnlichen Namens in Indien gefunden und zeitweilig zur fast als paradiesisch bezeichneten Entfaltung des Genres Karikatur beigetragen.

Zur Zeit der Briten war die Pressefreiheit und damit auch der Spielraum für die Karikatur begrenzt, und die indischen Karikaturisten mussten sich lange damit begnügen, soziale Übel anzuprangern, wie Zwangsheirat, Kinderarbeit, die Mitgiftregelung oder Witwenverbrennung. Zunehmend griffen sie politische Themen auf, geschickterweise mit Symbolen, die die Zensur unterlaufen konnten, z.B. die Darstellung Indiens als leidende Frau, für Inder erkennbar als "Mutter Indien" (Bharat Mata).

Mit dem Erstarken der Befreiungsbewegung nach 1885 nahmen die Karikaturisten nun immer mehr das Wagnis direkter Kritik an der politischen Führung auf sich. Indischer Einschätzung zufolge startete die politische Karikatur allerdings so richtig erst 1930, verbunden mit dem Namen Keshav Shankar Pillai (1902–1989), bekannt als Shankar. Er gilt als der Vater der politischen Karikatur in Indien; sein Beitrag zu einem kraftvollen Journalismus ist hochgeschätzt.

Shankar gründete 1948 die legendäre Karikaturenzeitschrift "Shankar’s Weekly", die berühmten Karikaturisten wie Abu Abraham, S. Kutty, N.R. Ranganath alias Ranga, Rajinder Puri, Bal Thackeray, E.P. Unny und O.V. Vijayan Schule und Ausgangspunkt für ihre Karriere bot. Nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 brachten die neu gewonnene freie Atmosphäre, die Aufbruchstimmung und der Geist moderaten Nationalismus einen wahren Boom des indischen Journalismus und der Karikaturen.

Indien im Blick - Karikaturen aus Indien
20. November 2009 bis 13. Juni 2010
Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Pelikanstrasse 40, Zürich
http://www.musethno.unizh.ch

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 – 13, 14 – 17 Uhr, Samstag 14 - 17 Uhr,
Sonntag 11 – 17 Uhr

Abbildung: Suresh Sawant; Silence Zone, Mumbai 1992, Quelle: Völkerkundemuseum Zürich

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