venro_klBerlin (epo.de). - Die deutsche Bundesregierung sollte in ihrer Afghanistan-Politik einen grundlegenden Strategiewechsel einleiten und dem zivilen Wiederaufbau den Vorrang geben, statt mehr Soldaten an den Hindukusch zu schicken. Das hat am Dienstag der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) gefordert. Zudem müssten Frauenrechte und die Pressefreiheit endlich durchgesetzt und die demokratische Teilhabe der Bevölkerung verbessert werden.

"Trotz des internationalen Militäreinsatzes hat sich die Situation der afghanischen Bevölkerung dramatisch verschlechtert. Sie leiden unter Armut und Hunger und der prekären Sicherheitslage", sagte der stellvertretende VENRO-Vorstandsvorsitzende Jürgen Lieser. Gerade bei jungen Afghanen wachse der Zorn gegenüber den ausländischen Besatzern. Immer mehr würden sich bewaffneten Widerstandstruppen anschließen. "Vom Ziel, ein stabiles Afghanistan zu schaffen, sind wir weit entfernt."

Lieser stellte anlässlich der Afghanistan-Konferenz "Mission Impossible am Hindukusch?" in Berlin ein neues VENRO-Forderungspapier vor. In dem Papier verlangen in Afghanistan tätige deutsche Hilfsorganisationen einen grundlegenden Kurswechsel der Afghanistan-Politik.

Aus der Sicht von VENRO gibt es zwar vereinzelte Erfolge, etwa bei der Gesundheitsversorgung oder Schul- und Berufsbildung. Diese seien jedoch nicht ausreichend. Afghanistan sei nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt – trotz der Mittel, die bisher für den Wiederaufbau und die Entwicklungshilfe bereit gestellt worden sind.

"Die neue Regierung muss dem zivilen Einsatz Vorrang einräumen und dies auch finanziell unterfüttern. Zurzeit entsprechen die Mittel, die für den zivilen Wiederaufbau bereit gestellt werden, nur einem Bruchteil dessen, was Deutschland für den militärischen Einsatz bereit stellt", betonte Lieser.

VENRO kritisiert insbesondere die Vermischung von ziviler und militärischer Hilfe in dem kriegszerrütteten Land. Durch die unklare Abgrenzung zwischen dem humanitären und politischen Mandat sei die Unabhängigkeit der Hilfsorganisationen in Frage gestellt und ihre Sicherheit gefährdet worden. "Mittelfristiges Ziel muss es sein, alle ausländischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen", erklärte Lieser.

VENRO hat seine Forderungen in der Publikation "Was will Deutschland am Hindukusch? Hilfsorganisationen fordern grundlegenden Kurswechsel in der Afghanistan-Politik" zusammengefasst. Das Dokument ist auf der VENRO-Website verfügbar.

Auch die Humanistische Union forderte am Dienstag in Berlin, ziviler Aufbau und Entwicklungsarbeit müssten oberste Priorität erhalten. Anlässlich der bevorstehenden Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Verlängerung des ISAF-Mandats der Bundeswehr erklärte die Organisation, Deutschland solle im kommenden Jahr tausend Bundeswehr-Soldaten abziehen und den Militäreinsatz innerhalb von vier Jahren schrittweise beendigen.

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