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"Hier kreuzen wir jetzt den Schmuggelpfad nach Nigeria." Gabriel Moki, der Waldführer, weist nach links. Auch für Besucher ist sofort sichtbar, daß dieser Weg im Korup Nationalpark im Südwesten Kameruns weit mehr benutzt wird als die anderen Trampelpfade. Er ist doppelt so breit wie die anderen Tracks - meist über einen Meter. Obwohl es die halbe Nacht geregnet hat, finden sich frische Stiefelspuren. "In fünf Tagen kann man von hieraus bis nach Calabar laufen," erinnert Moki seinen Schützling an die Grenzlage der Region.

Der Korup Nationalpark - nach dem Grenzfluß zwischen Kamerun und Nigeria benannt - ist mit über 1200 Quadratkilometern bedeutend größer als der Nationalpark Bayrischer Wald. Seine Existenz verdankt er nicht nur seiner grenznahen Lage, sondern auch den ungefähr 6000 Millimeter Regen, die hier pro Jahr fallen - etwa achtmal so viel wie in Deutschland.

Der Regen verhindert, daß die wertvollen Nutzhölzer höher als 40 Meter werden. Zudem sind sie relativ selten und daher ist ein kommerzieller Holzeinschlag uninteressant. Der andere Grund sind die armen Böden, auf denen dieses einmalige Biotop gedeiht: Es handelt sich fast ausschließlich um reinen Sand. Das einzige, was hier noch wachsen würde - wenn auch nur schlecht - wären Ölpalmen. Doch davon gibt es in direkter Nähe des Nationalparks bereits Plantagen mit etwa 60 Quadratkilometern Ausdehnung.

Trotz dieser natürlichen Abschirmung vor Raubbau sind längst nicht alle Gefahren für den Urwald gebannt. Zwar steht er seit 1986 unter Schutz des kamerunischen Staates. Doch immer noch schlagen drei Firmen Holz in der Umgegend des Parks. Zudem werden die verbliebenen Waldflächen auf die verschiedenste Art von den dort lebenden Menschen genutzt - und das nicht durchweg nachhaltig. Denn auch heute sind immer noch Tausende von Menschen auf die Produkte angewiesen, die der Wald umsonst hergibt.

Die Wilderei stellt dabei mit Abstand die größte Bedrohung für die Vielfalt der tropischen Fauna dar. Immerhin gibt es im Korup allein über 50 große Säugetierarten, 300 verschiedene Vögel, 170 Reptilienarten und 140 Sorten Fisch: eine willkommene Abwechslung auf der spartanischen Speisekarte der oft bitterarmen Dörfler. Das zusätzliche Eiweiß aus dem Wald ist um so wichtiger, als die Landwirtschaft auf den extrem kargen Böden den Anbau vieler Nutzpflanzen gar nicht erst zuläßt.

Mit der rücksichtslosen Jagd, die den Gebrauch von Fallen, Schlingen, Netzen, Pfeil und Bogen bis hin zu recht modernen Handfeuerwaffen einschließt, gefährden die Anwohner ein einzigartiges Stück afrikanischen Regenwald. Denn durch die hohen Niederschläge ist er in dieser Gegend auch durch die Eiszeiten hindurch erhalten geblieben. Sein Alter wird auf 6,5 Millionen Jahre geschätzt, wogegen die meisten anderen Regenwälder "nur" 10 bis 15.000 Jahre alt sind. Viele Pflanzen- und Tierarten sind nach der letzten Eiszeit dem sich wieder ausdehnenden Wald nicht gefolgt. Ihr Vorkommen ist auf die Region des Korup beschränkt. Das macht Störungen dieser einzigartigen biologischen Vielfalt besonders riskant.

Nun gibt es seit 1989 ein Projekt, das das Management des Nationalparks verbessern und den Anrainern neue Einkommensmöglichkeiten eröffnen soll. Es wurde vom World Wildlife Fund (WWF) initiiert und wird jetzt von der Europäischen Union und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) getragen.

Das ist leichter gesagt als getan: Die Bauern und Dörfler der Umgegend müssen nach und nach davon überzeugt werden, daß es sich für sie mehr auszahlt, wenn sie den Wald stehen lassen und nur so nutzen, daß er die gewünschten Produkte auch weiter hergeben kann. Schließlich liefert der Urwald auch andere Produkte als Wild und Holz: Da gibt es das auch hier bekannte Rattan, aus dem sich preiswerte Möbel herstellen lassen oder Eru, eine Lianenpflanze, deren Blätter zu einer Art Spinat verarbeitet werden. Bestimmte Holzstöcke werden zum Treiben von Rinderherden bis 2000 Kilometer weit nach Nordnigeria exportiert. Beliebt ist auch ein bestimmtes aseptisch wirkendes Holz, von dem kleine Stücke geschnitten werden, die dann als Zahnbürsten dienen.

Doch selbst, wenn diese Möglichkeiten systematisch gefördert werden, bleibt den Menschen aufgrund der kargen Böden nur wenig zum Leben. Zudem ist die Vermarktung der Produkte schwierig. Rund vier Stunden Piste trennen die Einwohner der Region von den nächsten, lohnenden städtischen Märkten. Der Tourismus, der auch eine durchaus interessante Geldquelle für die umliegenden Gemeinde werden könnte, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Auch die circa 130 hier entdeckten medizinisch wirksamen Pflanzen - von denen 40 neu für die Wissenschaftler waren - können von den Anrainern nicht wirtschaftlich genutzt werden.

Daher bleibt den ProjektmitarbeiterInnen oft nur, auf die Bedeutung der Wälder hinzuweisen. Und weil der Unterschied zwischen dem Nationalparksgebiet und den umgrenzenden Wäldern nur schwer deutlich zu machen ist, hat man sich darauf verlegt, die Einrichtung von Gemeindewäldern zu fördern. Das war lange nicht möglich. Alles Land, auf das keine schriftlichen Besitztitel geltend gemacht werden konnte, galt automatisch als staatliches Eigentum: Eine Regelung, die die Kolonialherren einführten und die den uneingeschränkten Raubbau an dem begehrten Holz ermöglichte und noch heute ermöglicht.

Jetzt aber können die Bewohner des Projektgebietes wieder Waldflächen, die sie zuvor zu guten Teilen selber vermessen hatten, nach ihren eigenen Vorstellungen nutzen. Völlig unmöglich ist es jedoch, mit drei Dutzend Wildhütern den Nationalpark zu überwachen. Besonders unübersichtlich ist die Situation dadurch, daß es einige kleine Dörfer innerhalb des Parkes gibt. Selten ist ganz klar, ob jemand nur Verwandte besucht oder anderen, illegalen Geschäften nachgeht. Dabei ist allein die Tatsache, daß es Siedlungen im Korup gibt, nicht mit dem kamerunischen Gesetz vereinbar. Das verlangt - entsprechend den internationalen Standards - einen unbewohnten Nationalpark.

Seit Jahren nun schon sollen die circa 1000 Bewohner umgesiedelt werden. Daß dies bisher nicht gelang, liegt nicht am Widerstand der Betroffenen, sondern vor allem am Geldmangel. Die Gegend ist dünn besiedelt und für eines der größten Dörfer ist schon ein Platz gerodet und mit einer Schule sowie einem Versammlungshaus ausgestattet worden. "Wir hoffen, daß wir unsere Waren besser verkaufen können, wenn wir erst hier an der Straße wohnen", klärt der Vormann einer der Arbeitsgruppen der Dörfler den skeptischen Weißen in klarem und deutlichem Pigdin-Englisch auf. "Jetzt sind wir in Arbeitsgruppen eingeteilt und kommen abwechselnd hierher um zu roden und zu pflanzen. Demnächst kommen wir auch um unsere Häuser zu bauen."

Zwar wird einiges Material vom Projekt gestellt, doch bauen müssen die Menschen ihre Häuser selbst - die Herstellung von Lehmziegeln eingeschlossen. Zusätzlich gibt es Unterstützung beim Aufbau der Landwirtschaft: Saat- und Pflanzgut, aber auch Beratung und Fortbildung. Denn den Bewohnern des Nationalparks fehlen wichtige landwirtschaftliche Kenntnisse, da sie bisher vornehmlich von dem gelebt haben, was der Wald abwarf.

Insgesamt befinden sich die MitarbeiterInnen des Korup-Projektes in einem schwer aufzulösenden Dilemma. Die meisten würden gerne auf eine Umsiedlung der Parkbewohner verzichten. Offiziell ist dies aber nicht möglich. Zum Glück bietet das Umland genug Raum für die geplanten Aktionen und die überwiegend einheimischen Projektangestellten gehören oft denselben Ethnien an wie die Waldbewohner. Deshalb kennen sie die Riten und Zeremonien genau, die bei einem - gar nicht so seltenen - Umzug eines Dorfes zu beachten sind.

"Natürlich kennen wir die neueren Konzepte des Regenwaldschutzes", betont Albert Kembou, der für das Management des Nationalparks zuständig ist. "In Ostafrika, wo ich länger gearbeitet habe, funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Nomaden und den Parkverwaltungen oft erstaunlich gut." Hier im Korup fehlten allerdings derzeit noch nachhaltige Anreize, den Wald auch wirklich vor Wilderern und der Übernutzung seiner Ressourcen zu schützen. "Wenn ein Nigerianischer Schmuggler einem Dorfchef einige Flaschen Whiskey für die ?Jagderlaubnis? mitbringt," resümiert Kembou, "zählt das oft immer noch mehr als all unsere Aufklärungsarbeit."