beh_200Osnabrück (epo.de). - Der Geschäftsführer des Bündnisses "Entwicklung Hilft", Peter Mucke, hat überzogene Erwartungen der Medien an die in Haiti tätigen Hilfsorgansationen kritisiert. "Die Medien erwarten derzeit oft nur den schnellen Erfolg. Das ist unrealistisch", erklärte Mucke in einem am Freitag veröffentlichten Zeitungsinterview. Das "Selbsthilfepotenzial der Bevölkerung" werde zudem in Deutschland nicht hinreichend wahrgenommen, sagte Mucke.

Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe) betonte Peter Mucke, Presse, Rundfunk und Fernsehen hätten das Recht, von den Hilfswerken Transparenz und Rechenschaft einzufordern. Man könne aber nicht schon nach drei Wochen nach dem Erdbeben eine positive Bilanz ziehen. Es sei "angesichts des Ausmaßes der Katastrophe eine absurde Logik, nach schnellen Spenden mit genauso schnellen Ergebnissen zu rechnen".

Auch wenn die Notversorgung der Menschen momentan im Vordergrund stehe, werde das Bündnis Entwicklung Hilft trotz des Zeitdrucks "nicht den Weg gehen, den Haitianern jetzt einfach Hilfe von außen überzustülpen". Für die Hilfswerke sei es wichtig, neben der Nothilfe zu einer langfristigen Entwicklung Haitis beizutragen. "Dazu bedarf es eines planvollen Vorgehens", betonte Mucke. "Dieser Teil der Hilfe gelingt nicht von heute auf morgen."

Das Bündnis, dem die deutschen Hilfswerke Brot für die Welt, medico international, Misereor, terre des hommes und Welthungerhilfe angehören, kritisiert auch eine einseitige und diskriminierende Sichtweise in der Berichterstattung der Medien. "Die Haitianer suchen mit bloßen Händen in den Trümmern nach Überlebenden, arbeiten trotz Mangelernährung bis zur völligen Erschöpfung. Davon sehen wir fast gar nichts in den Medien, dort konzentriert man sich eher auf den deutschen Schäferhund als Retter", sagte Mucke der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Dabei sind es im Katastrophenfall die lokalen Partner der Hilfswerke vor Ort, die gemeinsam mit den betroffenen Menschen die wichtigste Nothilfe leisten."

Mucke forderte, auch angesichts einer zerstörten Infrastruktur müsse man die Haitianer einbeziehen und "fragen, welche Bedürfnisse die Menschen haben". Man dürfe die lokale Expertise nicht unterschätzen, auch wenn diese Einbeziehung derzeit nur mit großen Schwierigkeiten organisiert werden könne. "Leider wird das Selbsthilfepotenzial der Bevölkerung nicht hinreichend wahrgenommen, werden die vorhandenen Strukturen und Organisationsprozesse zu wenig einbezogen." Nahrungsmittel sollten so weit wie möglich auf lokalen Märkten in Haiti und in der Region bezogen werden.

"Wir werden dazu beitragen müssen, die lokalen Strukturen und Behörden für den Wiederaufbau zu stärken", so Mucke. "So müssen zum Beispiel für den erdbebensicheren Bau von Häusern vorab die Landrechte geklärt werden." Die Produktion von Prothesen für Tausende verletzte Menschen sei ebenfalls ein großes Thema. "Dafür müssen zum Beispiel Werkstätten vor Ort aufgebaut werden, die gleichzeitig Arbeitsplätze für behinderte Menschen schaffen könnten."

Nach Schätzungen der haitianische Regierung sind bei dem Erdbeben mehr als 200.000 Menschen ums Leben gekommen und 300.000 verletzt worden. Die Regierung geht von 250.000 zerstörten Häusern und mehr als einer Million Obdachlosen aus.

www.entwicklung-hilft.de

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