haitiBonn (epo.de). - Einen Tag vor der Geberkonferenz am Sitz der Vereinten Nationen in New York hat die Welthungerhilfe die Bundesregierung aufgefordert, sich mehr für Haiti zu engagieren. "Wir brauchen jetzt ein starkes Signal der Bundesregierung, Haiti beim Neuanfang und der Schaffung funktionierender staatlicher Strukturen zu unterstützen", sagte Generalsekretär Wolfgang Jamann am Dienstag in Bonn. "Es gibt die einzigartige Chance, ein schon fast verlorenes Land wieder auf die Beine zu stellen." Auch Oxfam und UNICEF riefen zur Unterstützung des Wiederaufbaus in Haiti auf.

Haiti stehe nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 vor einer großen Herausforderung, erklärte der Welthungerhilfe-Generalsekretär. Das Land sollte die Chance auf einen Neubeginn bekommen. Das Schicksal der Menschen in einem der zehn schlimmsten Hungerländer weltweit dürfe der internationalen Gemeinschaft nicht gleichgültig sein.

"Entscheidend ist nicht allein, welche Summen auf der Geberkonferenz genannt werden, denn die Gefahr besteht, dass die Zusagen später nicht eingehalten werden oder einfach Geld in Entwicklungshaushalten umgeschichtet wird", betonte Jamann. "Neben den Folgen des Erdbebens gilt es jetzt, die  chronischen Ursachen von Hunger und Armut zu bekämpfen, und das geht nicht von heute auf morgen. Deshalb soll Deutschland sich mit Mittelzusagen langfristig verpflichten."

Die Welthungerhilfe hat nach eigenen Angaben ein Fünf-Jahres-Programm für Haiti aufgelegt, das derzeit einen Umfang von rund 20 Millionen Euro hat. Damit werden weiterhin Nothilfemaßnahmen sowie sogenannte "Cash-for-work"-Programme finanziert. Außerdem werden Projekte im Norden des Landes finanziert, wohin sich 600.000 durch das Erdbeben obdachlos gewordene Menschen geflüchtet haben.

HILFE ZUR SELBSTHILFE

Im Vorfeld der Geberkonferenz veröffentlichte Oxfam den Hintergrundbericht "Haiti: A Once-in-a-Century Chance for Change" und die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage. In der Umfrage gaben 1.700 Überlebende des Erdbebens ihre Prioritäten für den Wiederaufbau des Landes an. Für 26 Prozent ist die Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen das Wichtigste. An zweiter und dritter Stelle stehen mit 22 und 10 Prozent die Instandsetzung von Schulen und von Wohnhäusern.

Zugleich äußerten sich die Befragten skeptisch darüber, ob die haitianische Regierung allein in der Lage sein wird, den in New York zur Verabschiedung anstehenden Wiederaufbauplan umzusetzen. Die meisten sind der Ansicht, dass auch die Zivilgesellschaft mit einbezogen werden und die internationale Gemeinschaft sich zu einer nachhaltigen Unterstützung verpflichten muss.

Die Umfrage bestätigt die Aussagen, die Oxfam letzte Woche in dem Bericht "Haiti: A Once-in-a-Century Chance for Change" veröffentlichte. Dort empfiehlt Oxfam, dass der haitianischen Regierung und den Menschen selbst zentrale Bedeutung während der Wiederaufbaumaßnahmen zukommen. Die Stärkung der Regierung müsse allerhöchste Priorität haben, so dass die gesamte haitianische Gesellschaft am Wiederaufbauprozess teilhaben könne.

"Die Haitianer erklären uns sehr deutlich, dass sie auf eigenen Füßen stehen und mit eigenen Händen ihr Land wiederaufbauen möchten. Es muss das erklärte Ziel der Konferenz in New York sein, ihnen dies zu ermöglichen", sagte Marcel Stoessel, der Leiter des Gesamtprogramms von Oxfam in Haiti. "Die Haitianer erwarten keine milden Gaben; sie möchten Arbeit, Bildung für ihre Kinder und ein Dach über dem Kopf."

In der Umfrage fand auch einen Bewertung der internationalen Hilfsorganisationen statt. Im Gegensatz zu der jüngsten Kritik an der Effektivität ihrer Arbeit schätzten 60 Prozent der Befragten die Qualität und Effizienz der Organisationen positiv ein. Mehr als 70 Prozent lobten die spontanen Hilfsaktionen ausländischer Regierungen direkt nach der Katastrophe.

KRISE NOCH NICHT VORBEI

Das Kinderhilfswerk UNICEF rief zu massiven Anstrengungen für die rund 1,5 Millionen Kinder auf, die in Haiti unter den Folgen des Erdbebens leiden. UNICEF befürchtet, dass die jetzt beginnende Regenzeit zur Ausbreitung von Krankheiten führen kann. Das Kinderhilfswerk fordert, bessere Lebensbedingungen für Kinder in den Mittelpunkt der Bemühungen um den Wiederaufbau zu stellen.

Dank der internationalen Hilfe nach dem verheerenden Erdbeben seien Seuchen bislang verhindert worden, so UNICEF. Doch in den kommenden Wochen drohe sich die Lage der Erdbebenopfer wieder zu verschlechtern. Allein in Port-au-Prince seien sieben Camps mit mehr als 45.000 Menschen von Überschwemmungen und Erdrutschen bedroht.

"Die Krise in Haiti ist noch nicht vorbei", sagte Rudi Tarneden, Sprecher von UNICEF Deutschland. "Jetzt geht es weiter darum Leben zu retten. Gleichzeitig müssen Grundlagen für einen Neuanfang gelegt werden. Dazu gilt es die Zivilgesellschaft und öffentliche Einrichtungen zu stärken. Eine Rückkehr zur Normalität vor der Katastrophe reicht nicht aus."

Auch das Kinderhilfswerk terre des hommes rief die Gebernationen auf, mehr Mittel für den Kinderschutz aufzuwenden. "Die Bedrohung durch Kinderhandel unter dem Deckmantel von Auslandsadoptionen existiert weiter. Daher muss ein besonderes Augenmerk auf den Schutz von Kindern gerichtet werden", sagte Geschäftsführerin Danuta Sacher. "Die Gebernationen sollten bei allen Maßnahmen darauf achten, dass Haitis Kinder besser geschützt und ihre Rechte gewahrt werden."

Weitere Stellungnahmen von NGOs zur Geberkonferenz in Haiti

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