medicoFrankfurt (epo.de). - Die Frankfurter Hilfsorganisation medico international hält das Zertifizierungssystem im Rahmen des Kimberley-Prozesses für "völlig unzureichend". Es verpflichtet Staaten zur innerstaatlichen Kontrolle des Diamantenhandels und soll mit Zertifikaten sicherstellen, dass keine Konfliktdiamanten auf den Markt gelangen. Das System habe aber beträchtliche Schwächen, erklärte medico anlässlich einer Konferenz zum Kimberley-Prozess in Jerusalem.

Das Kimberley Prozess Zertifizierungssystem (KPCS) trat 2003 in Kraft. Die Definition von Konfliktdiamanten greife jedoch zu kurz, da sie auf Diamanten beschränkt sei, die von illegitimen Akteuren wie Rebellenbewegungen gehandelt werden, so medico. Die Produktionsbedingungen der Diamanten würden im KPCS nicht thematisiert. Diamanten, die zwar legal, aber unter schweren Menschenrechtsverletzungen abgebaut werden, fielen nicht in die Statistik der Konfliktdiamanten.

"Ein Hauptproblem des KPCS ist es, dass es sich nicht um ein rechtlich verbindliches Abkommen handelt", kritisierte Anne Jung, Kampagnenkoordinatorin bei medico international. "Es beruht primär auf Kriterien der Selbstverpflichtung. Daher kann es seine Wirkungskraft nur mit der aktiven Unterstützung des jeweiligen Landes entfalten."

Das sierra-leonische Network Movement for Justice and Development, medico-Partnerorganisation und afrikanischer NGO-Vertreter beim Kimberley-Prozess, warnte davor, Selbstverpflichtungsabkommen dienten vor allem der Industrie. "Der Kimberley-Prozess wird inzwischen von der Industrie dominiert. Es ist nur schwer möglich, Vertreibungen, die fehlenden Kompensationszahlungen und die katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den Treffen zu besprechen", sagte Abu Brima vom NMJD.

Juristisch ungesicherte Abkommen, so medico, brächten grundsätzlich das Risiko mit sich, dass sie von Industrieunternehmen zur Imageaufbesserung instrumentalisiert würden, ohne dass solche Vereinbarungen zu spürbaren und nachhaltigen politischen Veränderungen beitrügen. Das Beispiel der Diamantenfunde in Simbabwe zeige, wie notwendig eine Reform des KPCS sei. Dort seien 2008 Zehntausende Menschen im Auftrag der Regierung aus der Diamantenregion vertrieben und Hunderte Minenarbeiter getötet worden.

Trotz der gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Diamantengebiet Marange - hauptsächlich durch Polizei und Militär - wurde Simbabwe nicht aus dem Kimberley-Prozess ausgeschlossen. Auch nachdem ein "gemeinsamer Arbeitsplan" zwischen Kimberley und Simbabwe nicht eingehalten wurde, um die minimalen Standards des Zertifikates zu erfüllen, seien keine weiteren Schritte unternommen worden.

Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind nach Angaben von medico international Alltag in der Region Marange. Und dennoch fallen die simbabwischen Diamanten nicht unter das KPCS, auch weil die offizielle Regierung der Handelspartner ist. Eine Erweiterung und Präzisierung des KPCS und eine größere Rechtsverbindlichkeit wäre aus der Sicht von medico ein wichtiger Schritt für mehr Rohstoffgerechtigkeit, vor allem weil das KPCS als Modell für eine generelle Definition von Konfliktressourcen betrachtet werde.

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