07_prozent_100Berlin. - Trotz gegenteiliger Beteuerungen hat sich die Bundesregierung vom internationalen Ziel verabschiedet, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Das befürchten nichtstaatliche Organisationen nach dem Beschluss zu den Eckwerten des Bundeshaushalts 2012. Diese sehen eine Steigerung des Entwicklungsetats um lediglich rund 110 Millionen Euro vor.

2009 lag die deutsche Quote bei 0,35 Prozent. Um das 0,7-Prozent-Ziel noch zu erreichen, müssten die Mittel für Entwicklung in den kommenden vier Jahren um rund 2,5 Milliarden Euro jährlich gesteigert werden, erklärte die Hilfsorganisation Oxfam. Dieses Geld müsste vor allem aus dem Topf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kommen. Die jetzt von der Bundesregierung angepeilte Steigerung des Entwicklungsetats um nur 110 Millionen Euro auf 6,33 Milliarden Euro im kommenden Jahr ist laut Tobias Hauschild, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei Oxfam Deutschland, "nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, der nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Bundesregierung offensichtlich vorhat, ihre Versprechen an die armen Länder zu brechen."

"Die Bundesregierung besitzt nicht den politischen Mumm, die Entwicklungshilfe-Versprechen tatsächlich umzusetzen. Ihre Erklärungen zum 0,7-Prozent-Ziel entpuppen sich immer mehr als taktisches Geplänkel", sagte Hauschild. Dass es auch anders geht, zeige die britische Regierung: Trotz angespannter Haushaltslage dürfte das Vereinigte Königreich die 0,7-Prozent-Marke schon 2013 erreichen.

Die getroffene Richtungsentscheidung der Bundesregierung durchkreuze auch die kürzlich gestartete fraktionsübergreifende Initiative für einen entwicklungspolitischen Konsens zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels. Der Aufruf wurde mittlerweile von rund 251 Abgeordneten aller Parteien unterschrieben. "Es ist erschreckend, wie wenig Frau Merkel und Herr Schäuble an der Meinung von nicht wenigen Abgeordneten aller Fraktionen interessiert sind", konstatierte Hauschild.

Dabei lägen laut Oxfam konkrete Vorschläge für neue Quellen für Entwicklungsfinanzierung auf dem Tisch. Die Einführung eines Bundesschatzbriefes für Entwicklung gehe in die richtige Richtung, sei aber bei weitem nicht genug. Insbesondere die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene verspreche Milliardeneinnahmen und böte damit neue Perspektiven. "Wenn die Finanztransaktionssteuer kommt, muss ein großer Teil der Einnahmen in die Armutsbekämpfung und der Bewältigung des Klimawandels in den armen Ländern fließen", forderte Hauschild.

"Diese Haushaltsrunde ist nach 2010 erneut eine herbe Enttäuschung", kritisierte der Direktor der entwicklungspolitischen Organisation ONE, Tobias Kahler. "Die Bundesregierung hat offenbar den Ehrgeiz verloren, in der weltweiten Armutsbekämpfung eine Vorbildfunktion einzunehmen. Für ein Mitglied des VN-Sicherheitsrates, das zudem konjunkturell im internationalen Vergleich hervorragend dasteht, sind diese Zahlen blamabel."

Irritiert zeigte sich Kahler auch von der Kommunikation der Bundesregierung. Durch den Vergleich der Haushaltsansätze mit den ursprünglich angekündigten Kürzungen habe der Eindruck entstehen können, es gäbe im Entwicklungsbereich erhebliche Aufwüchse von 700 Millionen Euro. "Das ist so, als würde ich Bananen für einen Euro erst mit zehn Euro das Kilo auspreisen, um mich dann für 90 Prozent Preisnachlass feiern zu lassen."

ONE fordert die Bundesregierung auf, nun erhebliche Teile des so genannten "Energie- und Klimafonds" für klimabezogene Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere in Afrika, zu verwenden.

"Die Versprechen, die gegenüber den Ärmsten der Armen gegeben wurden, müssen endlich eingehalten und mit konkreten Zahlen im nächsten Haushalt unterlegt werden", forderte der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Thilo Hoppe. "Das letzte Wort über den Haushalt wird das Parlament haben. Und deshalb besteht die berechtigte Hoffnung, dass am Ende mehr für den Kampf gegen Hunger, Armut und Aids herausspringt als die Regierung zur Zeit vorsieht."

http://one.org
www.oxfam.de
www.entwicklungspolitischer-konsens.de


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