oecd_perspectives_80Paris. - Der globale Reichtum verlagert sich zunehmend von West nach Ost und von Nord nach Süd. 83 Entwicklungs- und Schwellenländer seien in den vergangenen zehn Jahren mindestens doppelt so schnell gewachsen wie Industrieländer mit hohem Einkommen, heißt es in einem neuen OECD-Bericht. Diese Umverteilung des Wohlstands eröffne den jeweiligen Regierungen eine Vielzahl von Möglichkeiten, die sie nutzen sollten, um den sozialen Zusammenhalt in ihren Gesellschaften zu stärken.

Nur durch sozialen Zusammenhalt werde es den schnell wachsenden Ländern gelingen, ihr Wachstum dauerhaft zu sichern, lautet die Botschaft des Berichtes "Perspectives on Global Development 2012: Social Cohesion in a Shifting World", der am Montag vom OECD-Entwicklungszentrum in Paris vorgestellt wurde. In vielen dieser Länder verbreitere sich die Mittelschicht rasant. Mit ihr wachse der Reformdruck.

Zwei Milliarden Menschen gehören der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge bereits heute in die Gruppe jener, die zwischen zehn und einhundert US-Dollar am Tag zur Verfügung haben. Jeder zweite von ihnen lebe in einem aufstrebenden Land. Bis 2030 werde diese Zahl auf fast vier Milliarden klettern – eine ökonomisch relativ starke, politisch in den meisten Schwellenländern aber noch unterrepräsentierte Macht.

Umso größer seien die Erwartungen gerade dieser Schicht, so die OCED-Studie: Sie verlange nach politischer Beteiligung, Aufstiegschancen und besseren Lebensstandards. Diese Erwartungen zu kanalisieren und zeitnah umzusetzen, stelle die Regierungen der aufstrebenden Länder vor große Herausforderungen. "Die sozialen und politischen Unruhen der vergangenen Jahre und in den verschiedensten Regionen der Welt zeigen, was uns erwartet, wenn Menschen sich in ihrer Gesellschaft nicht aufgehoben fühlen", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung des Berichts in Paris. "Die Forderung nach sozialem Zusammenhalt war in Entwicklungs- und Schwellenländern nie brennender als heute. Regierungen müssen dem Rechnung tragen."

Umfragen belegen nach Angaben der OECD, dass wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung die Menschen nicht automatisch zufriedener machen. In Tunesien, Indien und Thailand zum Beispiel sei die Lebenszufriedenheit zwischen 2006 und 2010 gesunken, während das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im gleichen Zeitraum anstieg. Die Autoren des Berichts folgern daraus, dass Faktoren wie stark eingeschränkte gesellschaftliche Teilhabe, hohe Arbeitslosigkeit und geringe soziale Mobilität den sozialen Zusammenhalt aushöhlen. Sie empfehlen, die aus vermehrten ausländischen Direktinvestitionen und höheren Steuer- und Handelsaufkommen gewonnenen Ressourcen in soziale Sicherungssysteme, Beschäftigung, Bildung und Chancengleichheit zu investieren.

Darüber hinaus betont der Bericht wie wichtig es ist, Staatsausgaben und Steuerpolitik mit Bemühungen um Demokratie-Aufbau und Gleichberechtigung der Geschlechter in Einklang zu bringen. Diese Politikfelder beeinflussten sich gegenseitig. Gelinge es, sie aufeinander abzustimmen, garantiere das bessere Resultate und stärke den Sozialvertrag zwischen Bürgern und Staaten.

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