bmz_100Asunción. - Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist im Rahmen eines zweitägigen Besuches in Paraguay mit dem neuen Präsidenten Federico Franco zu einem Gespräch zusammengetroffen. Franco hatte das Amt erst einen Tag zuvor nach der Amtsenthebung von Präsident Fernando Lugo übernommen. Der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe warf Niebel mangelndes politisches Gespür vor, da die Legitimität der Amtsübernahme von vielen Seiten angezweifelt werde.

"Mein erster Eindruck ist, dass der Amtswechsel nach den Regeln der Verfassung abgelaufen ist", sagte Niebel in Asunción. "Auch Fernando Lugo hat das Ergebnis faktisch anerkannt. In meinem Gespräch habe ich Präsident Franco ermutigt, die Landreformen fortzusetzen und die Armut zu bekämpfen. Die neue Regierung sollte mit einer Politik der ausgestreckten Hand um Vertrauen werben."

Paraguays Präsident Lugo war vom Parlament wegen "schlechter Ausübung" seines Amtes enthoben worden, nachdem im Verlauf eines Landkonfliktes 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und protestierenden Landarbeitern getötet worden waren. Der frühere Bischof Lugo hatte das südamerikanische Land nach sechs Jahrzehnten Herrschaft der Colorado-Partei knapp vier Jahre lang regiert.

"Paraguay hat das Potenzial die Entwicklung des Landes eigenständig erfolgreich voranzutreiben", erklärte Minister Niebel. "Dabei kommt der Entwicklung des ländlichen Raums eine Schlüsselrolle zu. Ich habe deshalb 8,75 Millionen Euro an neuen Mitteln für bereits bestehende Projektder Entwicklungszusammenarbeit im ländlichen Raum zugesagt, um Armut effektiv zu bekämpfen und den Menschen neue Chancen zu eröffnen. Das Gespräch hat zudem gezeigt, dass Paraguay sehr an einer Zusammenarbeit im Bildungsbereich interessiert ist und die Bildungskooperation der Heidelberger SRH Fachhochschule mit dem paraguayischen Industrieverband die Rückendeckung der neuen Regierung hat. Bessere Bildung schafft höhere Einkommen und unterstützt eine selbstbestimmte Entwicklung", sagte Niebel.

Der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe kritisierte, Paraguays Präsident Fernando Lugo sei "erst wenige Stunden zuvor auf dubiose Weise seines Amtes enthoben worden, als Entwicklungsminister Niebel bei seinem Staatsbesuch dem frisch gebackenen Nachrücker Federico Franco die Hand schüttelt und ihm Kontinuität in der Zusammenarbeit versichert. Hier wären mehr Sensibilität und politische Feinfühligkeit gefragt und vor allem eines: Abwarten. Die FDP darf nicht den gleichen Fehler machen wie 2009 in Honduras und schneller als die internationale Gemeinschaft und die südamerikanischen Nachbarländer eine Regierung anerkennen, deren Legitimität von vielen Seiten angezweifelt wird."

Hinter dem Landkonflikt stecke die lukrative, in den letzten Jahren stark ausgeweitete Produktion von Gentech-Soja, erklärte Hoppe. Soja werde als Tierfutter auch für die deutsche Fleischproduktion exportiert. Die Kleinbauern würden von den großen Sojafarmern von ihrem Land verdrängt, weil die Landbesitzverhältnisse ungeordnet seien und der scheinbar legale Landzukauf der Farmer die seit Generationen wirtschaftenden Indigenas entrechte. Der mit dem Gen-Soja-Anbau verbundene massive Pestizid-Einsatz gefährde zudem die Gesundheit und Ernten der Kleinbauern.

Das Verfahren der Amtsenthebung Lugos scheine auf den ersten Blick rechtlich nicht angreifbar zu sein, sagte Hoppe weiter. Die "Begleitumstände der handstreichartigen Abwahl sowie Absprachen zwischen verschiedenen Interessengruppen, die es offensichtlich vorher gegeben hat", würden jedoch viele Fragen aufwerfen. "Die Regierungen nahezu aller südamerikanischer Länder sind sich einig: Ein Angeklagter hat das Recht auf eine ordentliche Verteidigung. Diese wurde Präsident Lugo verwehrt, denn die Absetzung hat gerade einmal 24 Stunden gedauert. Ausnahmslos alle Mitglieder der südamerikanischen Staatenunion UNASUR sind zutiefst erschüttert über die Art und Weise, wie Lugo nur neun Monate vor den nächsten Wahlen aus dem Amt katapultiert wurde."

Hoppe forderte die Bundesregierung auf, "die Entscheidung der UNASUR abzuwarten und nicht voreilig im Alleingang Schritte einzuleiten, die die demokratische Entwicklung in Südamerika schwächen könnten. Wir unterstützen zwar deutlich die von Entwicklungsminister Niebel angekündigte Unterstützung seitens Deutschlands für eine Landreform in Paraguay und Entwicklungsmaßnahmen im ländlichen Raum. Diese Kooperation kann aber nur mit einer von der UNASUR und der Staatengemeinschaft offiziell anerkannten Partnerregierung ausgebaut werden."

"Es ist bezeichnend für das Demokratieverständnis von Minister Niebel, dass er den institutionellen Staatsstreich gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Fernando Lugo in Paraguay als erster europäischer Minister gutheißt und dadurch die Interessen der Großgrundbesitzer des südamerikanischen Landes schützen hilft", erklärte entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Heike Hänsel. Niebel befinde sich damit auch im Gegensatz zur EU-Außenbeauftragten Ashtone. "Wie im Falle des Staatsstreiches gegen Präsident Zelaya in Honduras vor drei Jahren kooperiert Minister Niebel jetzt mit den politischen Kräften, die für soziale Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen während der finsteren Zeit der Strössner-Ära verantwortlich gewesen sind."

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