lugo_fernando_misereor_100Aachen. - Das katholische Hilfswerk Misereor ist besorgt über die Lage in Paraguay. Nach dem gewaltsamen Konflikt um die Besetzung eines Landguts zwischen Bauern und Sicherheitskräften mit 17 Toten und der anschließenden Absetzung von Präsident Fernando Lugo (Foto) stünden unter dem neuen Staatschef Federico Franco die Interessen der Kleinbauern und der weitere Prozess der Demokratisierung auf dem Spiel, warnte der Leiter der Lateinamerika-Abteilung von Misereor, Hein Brötz, am Freitag in Aachen.

Auch wenn dem Machtwechsel in Asunción formal eine Senatsmehrheit zugrunde gelegen habe, werfe die außergewöhnliche Schnelligkeit des Amtsenthebungsverfahrens - Ex-Präsident Lugo wurden knapp zwei Stunden Zeit für seine Verteidigung eingeräumt - doch ein fragwürdiges Licht auf diesen Machtwechsel, so Misereor. Auch die interamerikanische Menschenrechtskommission sehe eine "Gefährdung des Rechtsstaates" darin, einen Staatschef binnen 24 Stunden abzusetzen, ohne ihm die Möglichkeit zur Verteidigung zu geben. Dies sei als eine "Parodie der Justiz und eine Verletzung der Menschenrechte" zu werten.

Raquel Peralta, Direktorin von CONAPI (Nationale Kommission der paraguayischen Bischofskonferenz für indigene Belange), einer Partnerorganisation von Misereor, bewertet die aktuelle Entwicklung in ihrem Land als schweren Rückschlag. "Wir haben so dafür gekämpft, dass wir rund 8000 Hektar Land für die indigene Bevölkerung im Rahmen eines Landenteignungsverfahrens sichern konnten. Nun befürchten wir, dass es dazu nicht mehr kommen und das Land von der neuen Regierung zweckentfremdet wird."

Misereor-Partner berichten schon seit Jahren von zunehmenden Landkonflikten in dem lateinamerikanischen Staat. In Paraguay befänden sich 85 Prozent der Landflächen im Besitz von 2,5 Prozent der Bevölkerung. Viele Kleinbauern seien von Vertreibung bedroht bzw. würden vertrieben, weil Menschen mit oft zweifelhaften oder gar gefälschten Besitztiteln Anspruch auf ihre Grundstücke erheben - nicht selten unterstützt von korrupten Sicherheitskräften.

Mit Blick auf seine Entmachtung sagte der abgesetzte Präsident und ehemalige Bischof Lugo in einem Gespräch mit Misereor-Vertretern in Asunción: "Das war kein Staatsstreich gegen einen amtierenden Präsidenten, sondern gegen den Demokratieprozess und diejenigen, die daran mitgewirkt haben. Er richtet sich gegen die sozialen Projekte, die der Staat erfolgreich angefangen hat."

Der in der Chaco-Region tätige katholische Bischof Lucio Alfert bestätigte diese Einschätzung: "Fast alles, was geschehen ist, hat mit den Wahlen im kommenden Jahr zu tun. Mit Präsident Lugo kam ein neuer demokratischer Prozess in Gang. Hauptproblem ist nun, ob und wie der weitergeht. Der katholischen Kirche muss es weiterhin darum gehen, eindeutig Partei zu ergreifen für die armen Menschen." Victor Azuaga, Generalsekretär der nationalen Sozialpastoral erklärte: "Es gibt noch keine einheitliche Stellungnahme der katholischen Kirche Paraguays. Die Meinung einzelner Bischöfe, die Lugo zum Rücktritt aufgefordert haben, gibt nicht die Meinung der gesamten Kirche wieder."

Alberto Alderete, ehemaliger Leiter der paraguayischen Agrarreformbehörde INDERT, warnte: "Ich fürchte vor allem, dass die Kleinbauern unter einem Kurswechsel der Regierung zu leiden haben. Denn es gibt eine ganze Reihe von landwirtschaftlichen Förderprogrammen für sie, die nun wegzufallen drohen."

Misereor fördert seit 1960 Entwicklungsvorhaben paraguayischer Partner. Die Projektzusammenarbeit konzentriert sich insbesondere auf die Bereich nachhaltige ländliche Entwicklung und demokratische Teilhabe/Menschenrechte mit einem derzeitigen Gesamtvolumen von 4,4 Millionen Euro.

Das Foto zeigt Fernando Lugo (© Kopp/Misereor)


www.misereor.de

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