rog_logo_neuBerlin. - Vor der Präsidentschaftswahl in Venezuela am Sonntag (7. Oktober) hat Reporter ohne Grenzen (ROG) auf die schwierige Situation für Journalisten in dem lateinamerikanischen Land aufmerksam gemacht. Allein in diesem Jahr seien bereits rund 40 gewaltsame Angriffe auf Reporter und Redaktionen verübt worden, berichtete die Hilfsorganisation. Präsident Hugo Chávez sei überdies Dauergast im Fernsehen.

"Die Medien sind extrem polarisiert zwischen staatlichen und privaten Sendern", erklärte ROG. "Beleidigungen und Verunglimpfungen der Gegenseite sind an der Tagesordnung." Anfang September habe Venezuela zudem die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) aufgekündigt, was ROG sehr bedauere.

Reporter ohne Grenzen verurteilt die Praxis der so genannten cadenas, ausufernder Ansprachen des seit 1999 regierenden Präsidenten Hugo Chávez, die sämtliche Rundfunksender gleichzeitig und in voller Länge ausstrahlen müssten. Von Januar bis August 2012 hätten sie in der Summe etwa 136 Stunden des Programms ausgemacht. Das seien fast vier Stunden pro Woche - das wöchentliche, ebenfalls oft mehrstündige Programm "Aló Presidente" am Sonntag nicht eingerechnet. "Die Ausstrahlung von cadenas in ihrer derzeitigen Form sollte sich auf einen einzigen staatlichen Fernsehsender beschränken", so ROG, "andernfalls müssen sie stark gekürzt werden."

Durch strenge Mediengesetze und empfindliche Geldstrafen habe Präsident Chávez die einflussreichen - und in der Regel oppositionellen - privaten Rundfunksender zum großen Teil unter Kontrolle gebracht, kritisierte ROG. 2010 habe er das "Gesetz über die Verantwortung in Hörfunk und Fernsehen" ("Ley Resorte") verschärfen und auf das Internet ausweiten lassen. Es stelle Botschaften unter Strafe, die "zu Hass anstiften", "Unruhe in der Bevölkerung verbreiten" und "Amtsträger herausfordern". Seither seien nicht nur traditionelle Medien, sondern auch Betreiber und Provider von Internetseiten für Inhalte haftbar, die sie verbreiten - also auch für Lesermeinungen und Kommentare.

Problematisch ist ROG zufolge nicht nur die sehr vage Formulierung des Gesetzes, sondern auch seine selektive Anwendung. Es richte sich fast ausschließlich gegen regierungskritische Medien, wie zuletzt der Fall des privaten Fernsehsenders Globovisión zeigte. Im Juni bestätigte das Oberste Gericht eine Geldstrafe von mehr als zwei Millionen US-Dollar gegen den Sender. Globovisión hatte über Gefängnisaufstände berichtet, bei denen im Juni 2011 rund 30 Menschen ums Leben gekommen waren. Auch die Verfahrenskosten von rund einer Million US-Dollar soll der Sender tragen. "Eine so unverhältnismäßig hohe Strafe bedroht die Existenz der Redaktion", kritisierte Reporter ohne Grenzen.

Bereits im August 2009 hatten 34 lokale Radio- und Fernsehsender "aus technischen und administrativen Gründen" ihre Lizenz verloren. Gleichzeitig trieben die Behörden den Aufbau eines staatlich kontrollierten Rundfunksystems voran. Es bestehe derzeit aus sechs Fernseh- und drei Radiosendern, die Kritik an der Regierung als "Beleidigung des Volkes" und "Destabilisierung der Nation" brandmarkten, so ROG. Reporter ohne Grenzen rief beide Seiten zu besonnener und ausgewogener Berichterstattung auf - nicht nur im Wahlkampf.

www.reporter-ohne-grenzen.de

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