bmz_100Berlin. - Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat sein Bedauern darüber geäußert, dass die Grünen-nahe Heinrich Böll Stiftung (HBS) ihr Büro in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba schließt. "Wir bedauern ausdrücklich, dass sich die Heinrich Böll Stiftung angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen in Äthiopien entschieden hat, sich aus dem Land zurückzuziehen", erklärte Niebel am Mittwoch in Berlin.

"Da die politischen Stiftungen solche Entscheidungen unabhängig treffen, respektieren wir diese Entscheidung natürlich", sagte Niebel. "Ich bedauere aber auch, dass die äthiopische Regierung trotz der Zusage des damaligen Premierministers Meles Zenawi nicht in der Lage war, die notwendigen Freiräume für die Zivilgesellschaft zu schaffen. Gerade für den langfristigen Erfolg eines Landes ist es aus unserer Sicht zentral, dass es eine aktive und engagierte Zivilgesellschaft gibt, die sich in die Diskussionen über Entwicklungsfortschritte und notwendige Rahmenbedingungen ungehindert einbringen kann."

Bei seiner Reise nach Äthiopien im Januar 2011 habe sich Niebel gegenüber Premierminister Meles Zenawi nachdrücklich für ungehinderte Arbeitsbedingungen der Stiftungen in Äthiopien eingesetzt, erklärte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Hintergrund der Schließung des HBS-Büros seien die Schwierigkeiten, die aus der 2009 erfolgten Gesetzgebung für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) resultieren.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass in Äthiopien tätige NGOs, die mehr als zehn Prozent ihres Haushaltes aus ausländischen Quellen erhalten, nicht in politisch sensiblen Bereichen arbeiten dürfen. Diese Bereiche seien ausgesprochen weit definiert, so das BMZ. Eine sinnvolle Arbeit in Fragen der Menschenrechte, der Frauenförderung oder innergesellschaftlicher Konfliktlösung sei somit nicht möglich.

Das BMZ will im Rahmen eines intensiven politischen Dialogs auch künftig das schwierige Arbeitsumfeld für nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen thematisieren. Niebel betonte: "Wir bleiben ein aufmerksamer Partner, der nicht wegschaut, sondern der Veränderungsprozesse unterstützen will. Ich habe die Hoffnung, dass die Regierung unter dem neuen Premierminister Hailemariam Dessalegn die Chance für ein neues Nachdenken über diese Gesetzgebung nutzt und dem Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft Taten folgen lässt - und hierzu möchte ich die neue Regierung ausdrücklich ermutigen. Die konsequente Wahrung von Demokratie und Menschenrechte ist in all unseren Kooperationsländern die unerlässliche Grundlage jeglicher Entwicklungszusammenarbeit, die immer wieder auf den Prüfstand kommt - dies gilt auch für Äthiopien."

Die Böll-Stiftung erklärte am Mittwoch, mit der äthiopischen Gesetzgebung zur Rolle und Arbeitsweise von NGOs aus dem Jahr 2009 und den 2011 veröffentlichten Umsetzungsverordnungen sei ein neuer Höhepunkt der Einschränkung der Handlungsfreiheit der Zivilgesellschaft erreicht worden. Das Gesetz untersage weitgehend die Arbeit zu Themen wie Menschenrechte, Demokratie, Gender oder Konfliktlösung. Diese Restriktionen seien nicht nur für alle internationalen Nichtregierungsorganisationen, sondern auch für einheimische NGOs, die mehr als zehn Prozent ihres Budgets aus dem Ausland erhalten, gültig. NGOs würden in dem Gesetz als Dienstleister für Bedürftige bzw. Durchführungsorganisationen für Regierungsprogramme definiert; Advocacyarbeit sei hingegen nicht als legitime Aufgabe akzeptiert.

Die Entpolitisierung der Gesellschaft und eine Kultur der Selbstzensur seien die Folge, kritisierte die Stiftung. "Die Auflösung der Präsenz der Stiftung in Äthiopien soll auch ein Zeichen des Protests gegen die fortschreitende Einschränkung von Bürgerrechten und demokratischer Entwicklung bedeuten", sagte HBS-Vorstand Barbara Unmüßig.

Nach dem Tod von Premierminister Meles Zenawi habe sich die neue Regierung unter Hailemariam Desalegn zur Fortführung der von Meles geprägten Politik in allen Bereichen bekannt und damit jeglicher Diskussion um eine Neuausrichtung vorzeitig einen Riegel vorgeschoben, so die Böll-Stiftung. Mit einer Lockerung von Presse- und Meinungsfreiheit sowie der NGO-Gesetzgebung sei in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen.

www.bmz.de
www.boell.de

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