bundestagBerlin. - Mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat der Deutsche Bundestag am Mittwoch abend der Kürzung des Etats 2013 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zugestimmt. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) stehen damit im kommenden Jahr 6,34 Milliarden Euro zur Verfügung - 124 Millionen Euro weniger als im Regierungsentwurf vorgesehen und 86,47 Millionen Euro weniger als in diesem Jahr.

Der Bundestag folgte damit bei der Bewilligung des Einzelplans 23 des Bundeshaushalts 2013 der Empfehlung des Haushaltsausschusses. Änderungsanträge der SPD, der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen wurden abgelehnt.

Für den Änderungsantrag der Grünen, wonach der Bundestag die Kürzungen durch den Haushaltsausschuss zurücknehmen und sich zur wiederholt auch international geäußerten Zusage Deutschlands bekennen sollte, bis 2015 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, votierten in namentlicher Abstimmung 251 Abgeordnete. 305 lehnten den Antrag ab. Fünf Abgeordnete stimmten mit Enthaltung.

Ein Jahr zuvor hatten noch 372 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen einen Aufruf nichtstaatlicher Organisationen zur Erreichung des 0,7 Prozent-Ziels unterstützt. Mit dem "entwicklungspolitischen Konsens" setzten sie sich für die Aufstockung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und die Einhaltung der internationalen Zusagen ein.

Die SPD hatte in ihren Änderungsanträgen zum BMZ-Etat 2013 mehr Mittel zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria gefordert. Außerdem sollten der Umwelt- und Klimaschutz und der Erhalt der Artenvielfalt stärker gefördert werden. Die Linke forderte mehr Geld für den "Europäischen Zivilen Friedensdienst" und für den "Europäischen Entwicklungsfonds".

Sowohl Entwicklungsminister Niebel als auch der Verband Entwicklungspolitik (VENRO) hatten die Kürzung der Mittel für Entwicklungshilfe durch den Haushaltsausschuss bedauert. Der VENRO-Vorsitzende Ulrich Post hatte am Dienstag gewarnt, die Bundesregierung verlöre an Glaubwürdigkeit und Reputation im Ausland, falls der Etat des Entwicklungsministeriums beschnitten und das 0,7 Prozent-Ziel aufgegeben werde.

"Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Menschen in Entwicklungsländern", sagte Renate Bähr, Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung am Donnerstag in Hannover. "Sie sind es, die direkt von den Einschnitten betroffen sind."

Der Entwicklungsexperte der grünen Bundestagsfraktion, Thilo Hoppe, kritisierte die Kürzung der BMZ-Mittel am Donnerstag als "fatales Signal, das Deutschland nun international unglaubwürdig macht und die Gefahr heraufbeschwört, dass jetzt weitere Industrienationen dem schlechten Beispiel Deutschlands folgen und sich von ihren Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung verabschieden."

"Nur fünf Unionsabgeordnete beugten sich nicht dem Fraktionszwang. Alle anderen Abgeordneten der Koalition, der Entwicklungsminister eingeschlossen, kapitulierten vor ihren HaushälterInnen - unter Murren und gegen ihre Überzeugung", erklärte Hoppe. "Ein schlechter Tag für die Entwicklungszusammenarbeit. Und auch ein schlechter Tag für den Parlamentarismus, denn eigentlich müsste das Plenum, der gesamte Bundestag, das letzte Wort behalten und sollte nicht dem seltsamen Gewohnheitsrecht folgen, das man dem Haushaltsausschuss nicht widersprechen darf. Wir Grüne bekennen uns nach wie vor zum 0,7%-Ziel und setzen uns dafür ein, dass die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe jedes Jahr um 1,2 Milliarden Euro erhöht werden."

"Diese peinlichen Kürzungen schaden dem Ansehen Deutschlands und der Bundeskanzlerin", sagte der Direktor der Lobby-Organisation ONE, Tobias Kahler. "Bereits diese Woche kann die Bundeskanzlerin zeigen, dass Sie es mit ihren Versprechen noch ernst meint. Sie muss dafür sorgen, dass die EU-Entwicklungszusammenarbeit mit 51 Milliarden Euro so finanziert wird, wie von der Kommission ursprünglich vorgeschlagen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag, damit Deutschland in absehbarer Zeit das 0,7%-Ziel erreichen kann. Die gegenwärtig geplanten Kürzungen der EU-Entwicklungshilfe kosten Menschenleben."

"Deutschland hat einen Entwicklungsminister, der im Bundestag gegen einen Antrag stimmt, der Kürzungen an seinem eigenen Haushaltsentwurf zurücknehmen will", erklärte Niema Movassat, entwicklungspolitiker Sprecher der Fraktion DIE LINKE. "So wenig Rückgrat hat ein Minister selten gezeigt. Aber endlich versteckt sich Niebel nicht mehr hinter wohlklingenden Worthülsen und Lippenbekenntnissen."

Wollte man das 0,7 Prozent-Ziel tatsächlich noch erreichen, müsste Deutschland den Entwicklungshaushalt pro Jahr um zwei Milliarden Euro aufstocken, so Movassat. "Das wäre auch möglich. Wer wie Deutschland  im Jahr 33,3 Milliarden Euro für Rüstung, Krieg und Militär ausgibt, setzt falsche Prioritäten. Dieses Geld wäre im Kampf gegen Armut und Elend auf der Welt besser aufgehoben."

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