WEEDBerlin (epo). - Die entwicklungspolitische Nichregierungsorganisation WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung) hat die Bemühungen der rot-grünen Bundesregierung im Rahmen der Reform der Vereinten Nationen kritisiert. Deren Beitrag habe sich lediglich auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat konzentriert, heißt es in einer WEED-Stellungnahme zum UN-Gipfel in New York. "Angesichts der tatsächlichen Probleme der Völkergemeinschaft war dieses Ansinnen von Anfang an so überflüssig wie ein Kropf." WEED sieht ein Scheitern des UN-Gipfels voraus und plädiert für eine "Verstärkung plurilateraler Kooperationen" nach dem Vorbild des Internationalen Aktionsprogramms für Erneuerbare Energien, des EU-Stufenplans zur Erreichung des 0.7%-Ziels oder des Kyoto-Protokolls.

"Der Bundesregierung ging es nur darum, ihre Ansprüche als Großmacht - wenigstens zweiter Klasse - zu untermauern", so WEED. Da mit Frankreich und Großbritannien bereits zwei EU-Staaten im Sicherheitsrat seien, zudem mit Vetorecht, wäre ein deutscher Sitz kein Beitrag zur Demokratisierung der UNO gewesen. "Das Hauptproblem einer wirklich demokratischen UN-Reform ist es stattdessen, den Einfluss des Südens zu stärken. 82% der Menschheit leben in den Entwicklungsländern. Das muss sich auch in den Strukturen der UNO widerspiegeln", fordert WEED.

Die Herausbildung eines nicht-hegemonialen Multilateralismus und die Etablierung von Formen demokratischer globaler Governance seien die zentralen Herausforderungen für die Zukunft der Menschheit, so WEED. Trotz vieler Probleme und Begrenztheiten sei das UN-System noch am ehesten geeignet, eine solche Struktur zu entwickeln. Die UN stecke jedoch seit Jahren selbst in der Krise. Um ihre Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, werde die 1997 von Kofi Annan angestoßene UN-Reform von vielen Regierungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren unterstützt.

Auf dem UN-Milleniums+5 Gipfel vom 14.-16. September in New York steht neben der Verwirklichung der UN-Millenniumsziele eine umfangreiche Reformagenda auf dem Programm. Ein Scheitern der internationalen Staatengemeinschaft sei angesichts der im Vorfeld zu Tage getretenen gegensätzlichen Positionen aber wahrscheinlich, prognostiziert WEED. Ein Durchbruch für eine Demokratisierung globaler Governance-Strukturen, die Reform verkrusteter Machtstrukturen im Sicherheitsrat sowie das Zurückdrängen des Einflusses von IWF, Weltbank, WTO und G8 zugunsten einer gestärkten UNO sei in weite Ferne gerückt.

In der heute veröffentlichten Stellungnahme kritisiert WEED den derzeitigen Reformprozess und zeigt alternative Wege für eine demokratischere und gerechtere UN auf. "Die entwicklungspolitischen Fortschritte brechen sich nach wie vor an der harten ökonomischen Interessenspolitik der stärksten Akteure", analysiert die NRO. Unter dem Deckmantel des Diskurses um die Millenniumziele habe sich inzwischen "ein neoliberaler Konsens verfestigt, der Handelsliberalisierung und Privatsektorbeteiligung als die zentralen Instrumente der Armutsbekämpfung begreift - ganz im Interesse der Global Player".

Der beste Maßstab für die Glaubwürdigkeit einer Politik ist für WEED das Ausmaß ihrer Finanzierung. "Hier lag schon immer der Knackpunkt für all die gut gemeinten Aktionspläne und Programme der UNO. Vom 0,7-Prozentziel, dessen 35. Jahrestag der Nichterfüllung wir inzwischen feiern können, bis zur Agenda 21 ist die Geschichte dieser Vorhaben ein einziges Trauerspiel. Sie alle scheiterten am Geld. Die MDGs sind der nächste Kandidat, wenn sich bei der Finanzierung nicht gründlich etwas ändert."

WEED plädiert für internationale Steuern, um neue Quellen der Entwicklungsfinanzierung zu erschließen. "Die Zeit ist reif dafür, denn mit der Globalisierung sind durch die Transnationalisierung der Wirtschaft völlig neue Formen, Gewinne zu machen, entstanden. Das bekannteste Beispiel sind die 1,9 Billionen US-Dollar, die auf der Suche nach spekulati-ven Renditen börsentäglich um den Globus jagen. Wenn Profite international erwirtschaftet werden, ist es nur logisch, wenn auch internationale Steuern erhoben werden."

Die massive Verschuldung der Entwicklungsländer sei eines der zentralen Entwicklungshemmnisse, so WEED. Nach Angaben der UNO benötigten 62 arme Länder einen vollständigen Schuldenerlass, um die MDGs bis 2015 umzusetzen. Die Jahrestagung von IWF und Weltbank am 24.-25. September in Washington werde zeigen, ob halbherzige Initiativen der G8-Staaten in die Tat umgesetzt würden.

Im Welthandel deute nichts darauf hin, dass die Macht der Welthandelsorganisation WTO durch den gegenwärtigen UN-Reformprozess gebrochen werde. "Im Gegenteil: Der politische Einfluss der WTO soll wachsen, die Chance zur gerechten Neujustierung des internationalen Handelsregimes ist vorerst vertan. Geht es nach den Vorstellungen der EU und der USA, so werden an der aggressiven neoliberalen Liberalisierungs- und Deregulierungsagenda der WTO keine Abstriche gemacht."

Angesichts dieser ernüchternden Resultate müsse man konstatieren, dass der multilaterale Reformprozess praktisch gescheitert sei, bilanziert WEED. Damit sei eine wichtige Chance zur stärkeren Demokratisierung der UNO vertan.

Weiter heißt es in dem WEED-Papier: "Die undemokratische Vermachtung der UN, die sich vor allem im Sicherheitsrat, aber auch in vielen informellen Mechanismen der Macht manifestiert, konnte nicht aufgebrochen werden. Der Mehrheit der Entwicklungsländer gehört damit auch in Zukunft zu den Zaungästen internationaler Entscheidungsfindung. Auch eine Stärkung der Position der UNO im internationalen System wurde nicht erreicht. Im Gegenteil, die wichtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen fallen in den mächtigen internationalen Organisationen wie IWF, Weltbank und WTO - allen Zweifeln an ihrer Legitimität zum Trotz. Allesamt undemokratische Institutionen unter der Regie der G7."

WEED sieht die unipolare Struktur des internationalen Systems und die  imperialen Politik der einzigen Supermacht als Ursache dafür, dass ein demokratischer Multilateralismus und eine demokratische Reform der Vereinten Nationen derzeit keine Chance hat. "So waren es vor allem die USA, die eine demokratische Reform sabotiert und die Schwächung der UNO betrieben haben. Es ist an der Zeit, diese Realitäten ohne diplomatische Schminke zur Kenntnis zu nehmen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen."

WEED plädiert angesichts dieser Lage für "Koalitionen der Vernunft von all jenen, die dazu bereit sind eine Vorreiterrolle zu übernehmen, auch wenn andere und wichtige Spieler (noch) nicht zu einer Zusammenarbeit bereit sind". Nach dem Vorbild des Kyoto-Protokolls müssten "plurilaterale Kooperationen" vorangetrieben werden - mit dem Ziel, den Einfluss von IWF, Weltbank, WTO und G8 zugunsten einer gestärkten UN zurückzudrängen.

icon WEED-Stellungnahme zur UN-Reform (57.70 KB)
? WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung

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