aiBerlin. - Amnesty International hat nach einem Jahr Präsidentschaft von Mohamed Mursi ein ernüchterndes Bild der Menschenrechtslage in Ägypten gezeichnet. "Die Menschenrechtsbilanz des neuen Präsidenten ist enttäuschend. In einigen Bereichen hat sich die Menschenrechtslage im ersten Amtsjahr von Mohamed Mursi sogar verschlechtert", erklärte Alexia Knappmann, Ägypten-Expertin von Amnesty International.

Mursi hatte am 30. Juni 2012 sein Amt angetreten. "Mursi hat die historische Chance verpasst, mit der Praxis von Willkür, Folter und der Unterdrückung abweichender Meinungen der Regierung Mubarak konsequent zu brechen. Sein Versprechen, Tötung und Verletzung von Protestierenden während der Herrschaft des Militärrats aufzuklären, hat er nicht gehalten", kritisierte Knappmann. Nach wie vor gehe die Polizei und das Militär bei Protesten mit unverhältnismäßiger und zum Teil tödlicher Gewalt gegen Demonstranten vor. "Folter und Misshandlung von Festgenommenen sind weiter an der Tagesordnung. Die  Täter genießen weitgehend Straffreiheit."

Amnesty International hat im ersten Amtsjahr von Mohamed Mursi zahlreiche Fälle von Schikane gegen Aktivisten und andere Menschen dokumentiert, die sich kritisch gegenüber der Regierung oder den Muslimbrüdern geäußert haben. "Statt die Meinungsfreiheit zu schützen, wie es Präsident Mursi in seiner Antrittsrede angekündigt hat, haben die Verfolgung und die Festnahmen von Journalisten und Aktivisten wegen 'Beleidigung des Präsidenten' seit seinem Amtsantritt spürbar zugenommen", stellte Knappmann fest.

Auch die Zahl der Anklagen wegen sogenannter "religiöser Diffamierung" nimmt Amnesty zufolge zu. "Diese Anklagen sollten fallengelassen und alle entsprechenden Urteile rückgängig gemacht werden. Hier werden Menschen verfolgt, die lediglich friedlich ihre Meinung kundtun oder sich zu einer anderen Religion bekennen", so Knappmann.

Mit Sorge beobachtet Amnesty auch, dass Ägypten zivilgesellschaftliches Engagement weiter erschweren will. "Es gibt zunehmend Restriktionen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen auf der Grundlage eines Gesetzes von 2002." Ein neues Gesetz, das die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen noch weiter einschränken soll, sei geplant. "Diese Pläne und auch die Verurteilung von 43 NGO-Mitarbeitern Anfang Juni, sind weitere Beispiele dafür, dass auch die neuen Machthaber in Ägypten ihren Bürgern keine volle Meinungs- und Vereinigungsfreiheit gewähren wollen", stellte Knappmann fest.

Weiter kritisiert Amnesty, dass die Regierung die Rechte von Frauen nicht ausreichend schütze. "Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen täglich auf der Straße befürchten müssen, sexuell belästigt und bei Demonstrationen Opfer von schockierenden sexuellen Übergriffen zu werden, während die Täter weitgehend ungestraft bleiben", kritisierte Knappmann. "In seinem Programm für die Präsidentschaftswahlen versprach Mursi, die Beteiligung der Frauen an der Entwicklung Ägyptens sicherzustellen. Doch noch immer sind die Ägypterinnen von Ämtern in der Regierung, gesetzgebenden Gremien und der Justiz weitgehend ausgeschlossen. Im Straf-, Familien- und Erbrecht werden Frauen weiterhin massiv benachteiligt."

www.amnesty.de

 


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