niebel dirk de 100Berlin. - Vier Jahre nach dem Amtsantritt von Dirk Niebel (FDP) als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fällt die Bilanz durchwachsen aus. Der FDP-Mann, der das Ressort übernahm, das seine Partei abschaffen wollte, hat sich ins Zeug gelegt. Das kann ihm niemand absprechen. Was bleibt, ist die umstrittene Fusion der Durchführungs-Organisationen, das Mantra der Marktwirtschaft und mehr Effizienz - auch hinsichtlich der Vetternwirtschaft im eigenen Haus.

Einen Politiker, der im Wahlkampf verkündet, das Entwicklungsministerium abschaffen zu wollen, nach der Wahl aber dessen Leitung übernimmt, mag man pragmatisch nennen. Sein Feldzug für mehr Effizienz in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist ernst gemeint und ehrenwert. Man kann ihm auch nicht absprechen, sich in die wichtigsten Themen eingearbeitet zu haben, obwohl er hinsichtlich Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit weder Vorwissen noch Affinität hatte. Und an Selbstbewußtsein und Durchsetzungskraft kann es der Hauptmann der Reserve mit den meisten aufnehmen.

Problematisch sind aber die verbalen Feldzüge gegen die Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und deren "Hirseschüssel"-Politik und sein Auftreten als Saubermann, der erst mal die Welt vor der Geldverschwendung in Institutionen wie dem Globalen Fonds gegen Aids, Malaria und Tuberklose retten muss. Längst eingeleitete Reformen heftet sich der Minister dann gerne als eigene Erfolge an die Brust.

Der Minister und sein FDP-Stab sehen auch die Fusion der Durchführungsorganisationen GTZ, InWEnt und DED als beispiellosen Erfolg, als "ein Projekt, an dem drei Vorgängerregierungen gescheitert sind", wie Niebel selbst betont. Die MitarbeiterInnen sind geteilter Meinung, vor allem die ehemaligen DED-ler sehen die Entwicklungszusammenarbeit des "Lernen und Helfens" in der GIZ auf verlorenem Posten. Und die Spareffekte für den Steuerzahler, die man von einer Fusion staatlicher Einrichtungen erwarten könnte? Fünf statt früher drei Abteilungsleiter nebst zugehörigem Personal im BMZ sprechen für sich. Niebel hingegen nimmt "eine Nettoentlastung des Bundeshaushalts um rund 300 Stellen" für sich in Anspruch.

Die Fusion sollte vor allem eine Verlagerung von politischem Einfluss von der GTZ/GIZ hin zum BMZ bringen. Niebel reklamierte die politischen Steuerungsfunktionen für sich und das Ministerium - der Schwanz sollte nicht länger mit dem Hund wackeln, hieß es. Doch entstanden ist mit der GIZ ein noch größerer Moloch - mit 17.000 Mitarbeitern in 130 Ländern, wohl unkontrollierbar von den Ministerialen und an Kompetenz dem BMZ noch immer haushoch überlegen.

Der Versuch, die entwicklungspolitische Leitungsfunktion wieder im Ministerium zu verankern, erschien logisch. Zu sehr hatte sich die GTZ auf die Erschließung neuer Geschäftsfelder konzentriert und den eigenen Wirkungskreis ausgedehnt, auch wenn die Leitung der staatlichen Institution stets auf CDU-, FDP- und SPD-Parteigänger verteilt wurde. Der langjährige Geschäftsführer und Mitgründer der GTZ, Hansjörg Elshorst, hatte schon vor seinem Ausscheiden 1995 gegenüber Vertrauten eingeräumt, er habe einen Apparat geschaffen, den niemand mehr kontrollieren könne.

Doch Niebel hatte mehr vor, als nur die GTZ/GIZ wieder an die Kandare zu nehmen. Im Stile eines Neben-Außenministers schloss er sich mit FDP-Außenminister Guido Westerwelle kurz - und er baute die Parteischiene im eigenen Ministerium aus. Ein Spezi aus alten Bundeswehrzeiten, eine Kommunalpolitikerin aus Ettlingen, diverse andere entwicklungspolitisch unbeleckte FDP-Chargen - Niebel begann das Ministerium und ihm untergeordnete Institutionen in wichtigen Positionen mit Parteigängern vollzustopfen.

Natürlich soll stets alles mit rechten Dingen zugegangen sein. "Laut Grundgesetz werden Mitarbeiter nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ausgewählt. Das BMZ hält sich an die Vorgaben des Grundgesetzes. Die Parteizugehörigkeit wird nicht abgefragt, kann also keine Rolle spielen", sieht sich Niebel genötigt, auf seiner Website klarzustellen. Wir haben Minister Niebel auch nie gefragt in welcher Partei er ist, wissen es aber trotzdem.

Schon die ersten Auftritte symbolisierten den Wechsel: Keine Pressegespräche mehr, sondern verbale Verlautbarungen des Herrn Ministers. Bei den ersten Auslandsreisen die Gebirgsjägermütze auf dem Haupt, ein Landser, der das Mantra der Marktwirtschaft verkündet. Mal stolpert er im Amt fast über einen aus Afghanistan mitgebrachten Teppich, den der BND-Chef in seinem Dienstflieger transportiert und Niebel nicht verzollt hat, mal schulmeistert er multilaterale Entwicklungsorganisationen, die aus seiner Sicht ineffizient arbeiten.

Bei den Entwicklungsleistungen legt er den Hebel wieder in Richtung bilaterale Hilfe um, multilaterale und Budgethilfe sind dem ehemaligen Arbeitsvermittler suspekt. Ein Rückgriff in die entwicklungspolitische Mottenkiste der 1970-er Jahre, die mehr Einfluss und Druckmittel gegenüber den Empfängerländern garantieren soll. Dabei vergisst er aber nie, die "Partnerschaft auf Augenhöhe" zu betonen.

Überhaupt hat er sich das nebulöse Vokabular der EZ-Profis schnell angeeignet. Der Fachjargon kann freilich nicht überdecken, dass es mit dem theoretischen Fundament in der Entwicklungspolitik nicht weit her ist. Die Plattitüde, dass Entwicklung auch und vor allem wirtschaftliche Entwicklung ist, die vom BMZ besonders gefördert werde, drucken die Zeitungen trotzdem immer wieder gerne. Und auch die Binsenweisheit, dass eine Steigerung der Entwicklungshilfe nicht automatisch mehr Entwicklung bedeutet, dass es vielmehr auf den gezielen und effizienten Einsatz der Mittel ankommt, darf in keiner Medienmitteilung fehlen. Und natürlich in keiner Rechtfertigung, warum das von den Vereinten Nationen 1970 verkündete 0,7-Prozent-Ziel nicht erreicht werden kann.

Niebel wird nicht müde zu betonen, dass die deutsche Wirtschaft von der EZ profitiert. Doch müssen florierende mittelständische Unternehmen vom Ministerium dabei subventioniert werden, mittels "Win-Win-Situationen" Märkte in Entwicklungsländern zu erschließen? Immerhin ist Niebel kein "Siemens-Minister", wie seine Vorgänger genannt wurden, als noch die CSU das Ministerium für ihre Neben-Außenpolitik beanspruchte.

Nein, als "Weltsozialamt" hat Niebel sein Ministerium nie betrachtet. Seltsam nur, dass die Bürger und Wähler Umfragen zufolge sehr gut damit leben könnten, den deutschen Beitrag zur Bekämpfung globaler Armut zu steigern. Denn vielen Menschen hierzulande ist bewusst, dass unsere Lebens- und Wirtschaftsweise Konsequenzen für die Menschen im Süden hat: dass europäische Fischfangflotten die Küsten Westafrikas leerfischen, dass der Soja-Anbau für unser Viehfutter Kleinbauern in Brasilien von ihrem Land vertreibt und tiefgekühlte Hähnchenteile aus Europa afrikanische Hühnerfarmen ruinieren.

Würden die entwicklungspolitisch interessierten Wähler die Bundestagswahl am 22. September entscheiden, hätte Niebel schlechte Karten. Bei einer (natürlich nicht repräsentativen) Umfrage von Entwicklungspolitik Online unter den Nutzern zur Frage, welche Partei "das überzeugendste entwicklungspolitische Programm" hat, landete die FDP abgeschlagen bei rund zwei Prozent der abgegeben Stimmen.


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