gswBerlin. - In Berlin ging am Donnerstag die "Global Soil Week" zuende. Hunderte Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft haben vier Tage lang darüber beraten, wie die durch Überbewirtschaftung und Klimawandel strapazierten Böden vor allem in den Entwicklungsländern produktiver und nachhaltiger genutzt werden können. Der deutsche Entwicklungsexperte Rolf Sommer arbeitet in Kenia und plädiert gegen den allgemeinen Öko-Trend dafür, in Maßen Kunstdünger einzusetzen.

"Mineraldünger ist essentiell", sagt Dr. Sommer vom Centro Internacional de Agricultura Tropical (CIAT, Internationales Zentrum für tropische Landwirtschaft). Das Agrarforschungszentrum mit Hauptsitz in Palmira (Kolumbien) ist eines von 15 Instituten der Consultative Group on International Agricultural Research, die von der Weltbank gegründet wurden. Degradierte und damit weniger ertragreiche Böden sind eine wichtige Ursache regionaler Konflikte in Afrika, etwa in Darfur im Westen des Sudan, wo nomadische Hirten und Bauern um Land streiten, das lange Zeit beiden Bevölkerungsgruppen genügend Nahrung geboten hat. Durch den Klimawandel und die Überweidung sind die Böden ausgelaugt und drohen sich in Wüste zu verwandeln. Der Konflikt hat bereits die Ausmaße eines Völkermords angenommen.

Warum muss Kunstdünger aufgebracht werden, der die Böden zusätzlich schädigen kann?, argumentieren Vertreter der organischen Landwirtschaft. Sie berufen sich auf den im April 2008 in Johannesburg verabschiedeten Weltagrarbericht (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development, IAASTD). Darin fordern UN- und andere internationale Organisationen, 60 Regierungen und mehr als 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Erdregionen fundamentale Veränderungen in der Landwirtschaft, um rasant steigenden Preisen, Hunger, sozialer Ungerechtigkeit und ökologischen Katastrophen Einhalt zu gebieten.

Das alte Paradigma einer industriellen Landwirtschaft mit hohem Energie- und Chemikalieneinsatz sei nicht mehr zeitgemäß, lautet das Fazit des Berichts. Die volle Einbeziehung lokalen und indigenen Wissens, die Stärkung von Frauen, die die Hauptlast landwirtschaftlicher Arbeit in den Entwicklungsländern tragen, und ein Forschungsschwerpunkt auf kleinbäuerliche und agro-ökologische Anbaumethoden seien wesentliche Elemente einer Landwirtschaft, die den Weg aus der derzeitigen Krise weisen könnte.

DEM STICKSTOFFKREISLAUF IST DIE IDEOLOGIE EGAL

Sommer arbeitet im "Soils Program" des CIAT in Nairobi und weiß aus dem Umgang mit Bauern und Kleinbauern, die Reis, Maniok, Bohnen oder Futterpflanzen anbauen, dass der Stickstoff-Kreislauf aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die Kleinbauern müssten auf ihren Feldern eigentlich Futterleguminosen, die Stickstoff aus der Luft aufnehmen können, anbauen oder eine Wechselwirtschaft betreiben, damit die Böden sich wieder erholen können. "Die Bauern rechnen sehr genau", sagt Sommer am Rande der Konferenz in Berlin. In vielen Gebieten Afrikas ist Mais Grundnahrungsmittel und die Bauern sind oft gezwungen, kontinuierlich Mais anzubauen, um ihre Ernährung zu sichern. Die zur Verfügung stehenden Flächen sind oft zu klein, um Mais mit anderen Anbaufrüchten abzuwechseln. So bleibt ihnen oft nichts anderes übrig, als zur Mais-Monokultur beizutragen.

Den überstapazierten Böden ist es egal, ob sie mit organischem Dünger wie Mist oder mit Kunstdünger angereichert werden. Nairobi, die Hauptstadt Kenias mit mehr als drei Millionen Einwohnern, verfügt Sommer zufolge über kein flächendeckendes Kläranlagen-System, der Dünger kommt nicht wieder auf die Felder. Wie in Nairobi mangelt es vielerorts in Afrika an nennenswertem Recycling von Nährstoffen, die in Städten anfallen. Während Mist rund 2% Stickstoff aufweist, liegt der Stickstoff-Anteil im Mineraldünger bei 45%.

Letztlich ist "Kunstdünger" auch natürlichen Ursprungs. Anorganische Dünger, lernen wir aus Wikipedia, bestehen meist aus Salzen und werden in der Regel im Bergbau gewonnen. Sie werden meist nach chemischen Veränderungen (Haber-Bosch-Verfahren; Phosphataufschluss) eingesetzt. Mineraldünger haben einen großen Produktivitätsfortschritt in der Landwirtschaft ermöglicht, die Herstellung benötigt aber viel Energie und der Einsatz führt zu einer Anreicherung des toxischen und radioaktiven Metalls Uran im Boden und damit in der Nahrungskette, da Phosphat und Uran über das Mineral Apatit chemisch eng aneinander gebunden sind. Auch das giftige Metall Cadmium, wird angereichert. All dies kann das Grundwasser und somit das Trinkwasser gefährden.

"Organische Dünger sind die besten Dünger", sagt Sommer, "ich wünschte es ginge nur damit". Man brauche aber "Mineraldünger als Einstieg", um die Produktion für eine wachsende Bevölkerung steigern zu können. Erst mittel- oder langfristig könne es ausschließlich mit organischer Landwirtschaft funktionieren. Er denkt da in Zeiträumen von 50 oder 100 Jahren, denn Kenias Bevölkerung wächst rasant.

Doch die kleinen Bauern können sich Kunstdünger oft nicht leisten. Die Multinationalen Agrarkonzerne und Düngemittel-Hersteller springen gerne mit Kapital und Know-how ein, aber Kleinbauern sind kein Markt für sie. Auch der IFAD (Interational Fund for Agricultural Development), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, verfügt über viele Fördermittel, mißt seinen Erfolg wie viele andere internationale Geber aber vor allem daran, wie viel dieses Geld bewirken kann. Und die Fördermittel müssen in einem angemessenen Zeitraum abfließen. Die Förderung großer Agrarunternehmen und des großflächigen Anbaus ist da effizienter als ein Flickenteppich von kleinbäuerlich bewirtschaften Familienbetrieben.

Den Kleinbauern fehlt letztlich das Geld, eine nachhaltige Landwirtschaft aufbauen zu können. Ihnen fehlt schlicht die Einstiegs-Finanzierung für eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Felder. Ein Lichtblick ist da der "One Acre Fund" in Kenia, der arme Bauern mit Mikrokrediten und Value Chain-Beratung unterstützt. "Der One Acre Fund erreicht 150.000 Bauern", berichtet Rolf Sommer. "Trotz 17% Zinsen werden die Kredite zu 97 Prozent zurückgezahlt."

Der Streit um die "richtige" Landwirtschaft - industrielle Landwirtschaft oder kleinbäuerliche, ökologische Landwirtschaft - ist ein Lehrbeispiel für die vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank-Gruppe, deren internationalen Agrarforschungsinstituten und nicht zuletzt der Lobby der Großkonzerne losgetretenen Modetrends in Sachen Entwicklung. Wurden in den 1980-er Jahren vor allem künstliche Düngemethoden propagiert - und großzügig mit Fördermitteln ausgestattet -, sind es heute die Öko-Trends, die boomen und das Leben der Bauern in Afrika verändern. Eines ist unverändert geblieben: Die kleinen Bauern sind arm, während sich die Akteure in Washington, New York oder Brüssel eine goldene Nase verdient haben.

(Titelfoto: Das Bild stammt aus der Sammlung des Projektes „Geograph British Isles“. Siehe die Seite des Fotografen für Kontaktinformationen. Das Urheberrecht dieses Bildes liegt bei Anne Burgess und ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen-2.0-Lizenz.)

Zum Weiterlesen:


www.globalsoilweek.org

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