Wir haben es satt - Demo am 17.1.2015 in Berlin

Berlin. - Zum fünften Mal sind Bäuerinnen und Bauern vereint mit Imkern und VerbraucherInnen am Samstag für eine grundlegend andere Agrarpolitik auf die Straße gegangen. Das Bündnis forderte von der Bundesregierung eine klare Absage an das EU-USA-Handelsabkommen TTIP, einen wirksamen gesetzlichen Schutz der Land- und Lebensmittelwirtschaft vor der Gentechnik sowie den sofortigen Stopp des weiteren Ausbaus von Mega-Ställen. Ein Konvoi mit mehr als 90 Traktoren führte den Zug von rund 50.000 Demonstranten an, berichteten die Veranstalter.

Das "Wir haben es satt!"-Bündnis hat nach eigener Einschätzung in den letzten Jahren viel erreicht: "TTIP ist in aller Munde und 97% der Europäer lehnen mehr Macht für Konzerne ab. Bürgerinitiativen haben mit Hilfe des neuen Baugesetzes mehr als 100 Mega-Ställe verhindert. Gentechnik hat durch das Engagement einer breiten Bewegung auf unseren Äckern keinen Fuß gefasst." Doch dies seien nur die Anfänge einer "dringend notwendigen Agrarwende" für eine Zukunft der Landwirtschaft in bäuerlicher Hand mit Rückhalt in der Gesellschaft.

"Das EU-USA-Handelsabkommen (TTIP) dient einseitig global agierenden Konzernen und wird vielen bäuerlichen Betrieben hier und weltweit die Existenzgrundlage entziehen. Gleichzeitig drohen die Verbraucherstandards gesenkt zu werden", sagt Jochen Fritz, Sprecher des "Wir haben es satt!"-Bündnisses. "Das heißt mehr Gentechnik im Trog und Hormonfleisch durch die Hintertür. Deswegen fordern wir von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel TTIP zu stoppen!"

Auch die Agrarpolitik der Bundesregierung wird von den Veranstaltern scharf kritisiert: Sie habe dazu beigetragen, dass beispielsweise seit dem Jahr 2000 mehr als Dreiviertel der Schweinehalter aufgegeben haben, während Fleischkonzerne zunehmend die Tierhaltung übernähmen. Trotz eines Selbstversorgungsgrades mit Fleisch von 120 Prozent würden weiter Mega-Ställe in Deutschland genehmigt.

"Die Strategie, die Produktion immer weiter auszudehnen, was zu Dumping-Exporten auf dem Weltmarkt führt, ist gescheitert. Die Landwirtschaft in Deutschland braucht eine Zukunft jenseits von Tierfabriken und Mega-Schlachthöfen", sagte Fritz. "Wenn die Bundesregierung jetzt nicht handelt, zementiert sich eine agrarindustrielle Struktur, die nicht mehr veränderbar ist. Die Zukunft liegt in der Ernährungssouveränität auf Basis regionaler Märkte."

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), erklärte: "Aktuelle Erzeugerpreise von 1,30 Euro pro Kilo Schweinefleisch und 28 Cent pro Liter Milch zerstören die Existenzen vieler bäuerlicher Betriebe. Doch die Bundesregierung rät den Bauern weiter zum ‚Wachsen oder Weichen‘. Sie räumt dem Export höchste Priorität ein und bedient damit die Interessen der Agrarindustrie nach billigen Rohstoffen. Wir fordern als Bäuerinnen und Bauern die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für faire Preise und für kleine und mittlere bäuerliche Betriebe deutlich zu verbessern. Dafür kämpfen wir weiter im Bündnis mit der Zivilgesellschaft."

Zum Freihandelsabkommen TTIP sagte der Geschäftsführer von Campact, Christoph Bautz: "Wenn Monsanto, Bayer und Co. mit TTIP und CETA Gentechnik-Verbote aushebeln können, dann trifft das auf den breiten Widerstand der Bevölkerung. Private Schiedsgerichte, vor denen Konzerne Staaten verklagen können, sind ein Angriff auf Verbraucherrechte und unseren Rechtsstaat. Doch der heutige Tag zeigt, welch kraftvolle Bürgerbewegung gegen TTIP und CETA entsteht."

Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sprach von "ersten Erfolgen" des Protestes gegen die bisherige Agrarpolitik. "Dank bundesweit rund 250 Bürgerinitiativen wurden mehr als 100 geplante Riesen-Ställe nicht gebaut. Endlich werden artgerechte Ställe stärker gefördert und Agrarminister Schmidt hat angekündigt, gegen den überhöhten Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung vorzugehen. Noch immer profitieren Fleischkonzerne und Handelsketten davon, dass die Agrarindustrie ihre Produktionskosten auf die Allgemeinheit abwälzt. Zugleich wächst das Bewusstsein der Verbraucher über die Risiken und Nebenwirkungen der industriellen Landwirtschaft. Die Lebensmittelerzeugung in bäuerlichen und mittelständischen Betrieben muss endlich vor unfairen Wettbewerbsbedingungen geschützt werden und mehr Anerkennung finden."

Aus internationaler bäuerlicher Perspektive sprach Elizabeth Mpofu vom Internationalen Sekretariat der Bewegung "La Via Campesina": "Wir Kleinbauern brauchen Schutz vor einer Industrialisierung von Landwirtschaft und Ernährungssystemen, die im Namen von Fortschritt und Wachstum von den Multinationalen Konzernen, aber auch der Politik vorangetrieben wird. Eines von vielen negativen Beispielen, die eine Bedrohung von Kleinbauern darstellt, ist die sogenannte New Alliance for Food Security and Nutrition der G7 Staaten. Diese Initiativen stehen dafür was wir nicht wollen. Nicht in Afrika und nicht in Europa. Was wir fordern ist eine globale Ernährungswende im Sinne von Ernährungssouveränität und Agrarökologie."

Stig Tanzmann, Landwirtschaftsexperte von Brot für die Welt, forderte, die Politik auf deutscher, europäischer und globaler Ebene müsse "endlich die Grundlagen dafür schaffen, dass die Bäuerinnen und Bauern, die die Ernährung der Welt sichern, angemessen für ihre harte Arbeit entlohnt werden und eine gesicherte Zukunft haben. Dies verlangt aus unserer Sicht eine radikale Abkehr einer Exportorientierung und dem Dogma Wachse oder Weiche. Die Produzenten von Lebensmitteln dürfen nicht länger von Agrarkonzernen gegeneinander ausgespielt werden, um ihre Profite zu sichern."

Sabine Obermeier (Junges Bioland) betonte, Gentechnik bleibe "ein unberechenbares Risiko". Auf Kosten der genetischen Vielfalt wirtschaften könne nicht die Landwirtschaft der Zukunft sein. "Mit Vielfalt wollen wir der Zukunft den Hof machen: Biodiversität und Unabhängigkeit bei der Wahl des Saatgutes sind wichtige Schlüssel dazu."

Foto: www.DieAusloeser.net, Berlin

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