ai orgBerlin. - Das Leben von Millionen Frauen in Lateinamerika hängt von Gesundheitssystemen ab, die diskriminierend und unberechenbar sind. Sie erlauben, dass religiöse Vorstellungen und gesellschaftliche Stereotypen über das Leben von Frauen entscheiden. Das zeigt der Amnesty-Bericht "The state as a catalyst for violence against women", der am Montag veröffentlicht wurde.

Der Bericht analysiert die Lage in acht Ländern der Region und kommt zu dem Ergebnis, dass der Zugang zu Verhütung und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen von den finanziellen Möglichkeiten der Frauen oder den persönlichen und religiösen Ansichten des Gesundheitspersonals abhängig ist.

"Frauen in vielen Ländern Lateinamerikas haben keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsfürsorge. Sie müssen entweder Geld oder das Glück haben, an den richtigen Arzt zu gelangen", erklärte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "In El Salvador ist ein Schwangerschaftsabbruch selbst dann verboten, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist. In Mexiko werden an HIV erkrankte Frauen zwangssterilisiert. Das Gesundheitssystem, das die Frauen eigentlich schützen soll, trägt so aktiv zu ihrer Diskriminierung und Stigmatisierung in der Gesellschaft bei und bringt sie in Lebensgefahr."

Schwangerschaftsabbrüche sind dem Bericht zufolge in sieben Ländern Lateinamerikas unter allen Umständen verboten – selbst, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist. Zu diesen Ländern gehören El Salvador, Chile und Honduras. In den meisten anderen Ländern der Region sind Schwangerschaftsabbrüche zwar erlaubt, jedoch weigern sich viele Ärzte aus ideologischen Gründen, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Frauen werden dadurch gezwungen, eine gesundheitsgefährdende Schwangerschaft auszutragen oder aber Schwangerschaftsabbrüche unter katastrophalen medizinischen Bedingungen durchzuführen. Mindestens zehn Prozent aller Fälle von Müttersterblichkeit in der Region waren 2014 auf solche illegallisierten Schwangerschaftsabbrüche zurückzuführen.

"In vielen Ländern Lateinamerikas werden Frauen mit schwerwiegenden Folgen für ihre Gesundheit diskriminiert. Sie dürfen nicht selbst über ihren Körper und ihre Sexualität entscheiden. Die absurden Regulierungen und Gesetze zeigen, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur toleriert, sondern sogar vom Staat gefördert wird", sagte Çalışkan.

Zur Situation der Frauenrechte in Deutschland kritisiert Çalışkan, dass die Bundesregierung die sogenannte Istanbul-Konvention – das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt – noch immer nicht ratifiziert habe. Die Ratifizierung sei bisher daran gescheitert, dass Paragraph 177 des Strafgesetzbuches, der Vergewaltigung und sexuelle Nötigung regelt, erhebliche Schutzlücken aufweise und damit nicht den Anforderungen der Istanbul-Konvention genüge.

Zwar arbeitet die große Koalition bereits seit längerem an einer Reform von Paragraph 177 – den aktuellen Entwurf hierzu kritisierte Çalışkan jedoch als mangelhaft: "Auch nach den aktuellen Plänen der Regierung hängt eine Strafverfolgung weiterhin nicht vom Verhalten des Täters ab, der eine nicht einvernehmliche sexuelle Handlung vornimmt. Vielmehr wird von der betreffenden Frau erwartet, dass sie sich aktiv wehren muss – obwohl es eine Vielzahl von Gründen geben kann, warum sich eine Frau nicht gegen den Vergewaltiger wehrt; etwa aufgrund eines Schocks oder aus Angst, noch mehr Gewalt zu erleiden oder sogar umgebracht zu werden. Wir fordern, dass die Neuregelung des Sexualstrafrechts dem Anspruch 'Nein heißt nein' Genüge tun muss. Geschieht dies nicht, bleibt Deutschland ein Land, in dem viele sexualisierte Übergriffe straffrei bleiben und durch die entstehende Straflosigkeit, Täter zu weiteren Straftaten geradezu aufgefordert werden. Ein derart veraltetes frauenfeindliches Gesetz darf in einem modernen Land wie Deutschland, das sich die Wahrung der Rechte von Frauen auf die Fahnen schreibt, einfach nicht sein."

Quelle: www.amnesty.de 


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