bfdwBerlin. - Nie zuvor reisten so viele Menschen, und der Tourismus ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige weltweit. Zum Start der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin (9.-13.03.2016) hat Brot für die Welt kritisiert, dass breite Teile der Bevölkerung in armen Zielländern davon nichts haben.

"Der Tourismus erfüllt sein Versprechen, armen Ländern mehr Entwicklung und Wohlstand zu bringen, nicht", sagte Antje Monshausen, Tourismusexpertin des evangelischen Hilfswerks, "die Gleichung ‚Mehr Tourismus – mehr Entwicklung‘ geht nicht auf."

Ein Blick auf die nordafrikanischen Staaten mache das deutlich: Jahrelang haben ihre Eliten einträglich vom Tourismus gelebt und mit ihm ihre eigene Machtbasis gestärkt. Die Bevölkerung hatte nicht viel davon, wie die Hungeraufstände beispielsweise in Ägypten selbst in den Boomjahren des Tourismus zeigten.

Inzwischen ist die wirtschaftliche Situation noch schwieriger geworden, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, gesellschaftliche Spannungen treten offen zu Tage. Antje Monshausen: "Es wäre allerdings naiv zu glauben, dass allein der Tourismus sich wieder erholen müsste und damit alle Probleme gelöst wären."

Beispiel Tunesien: Die Regierung hat sich daran gemacht, den Tourismus kleinteiliger, dezentraler zu gestalten. Die Gewinne sollen breiter im Land verteilt werden. Kulturtourismus soll das Land unverwechselbar machen, auch damit Tunesien nicht einfach gegen eine andere Sonne-Sand-und-Meer-Destination getauscht wird. Diese „Tourismusrevolution“ wird von allen Seiten hoch gelobt – ausgezahlt habe sie sich noch nicht. Viele Reiseveranstalter leiten ihre Ferienflieger in dieser Saison lieber nach Spanien und Bulgarien um, der Kulturtourismus nimmt nur langsam Fahrt auf und die Menschen vor Ort werden immer perspektivloser. Leider sei dies ein guter Nährboden für Terrorismus und Instabilität.

"Die nordafrikanischen Länder haben gezeigt, dass Tourismus als Monokultur ein sehr riskanter Entwicklungspfad ist. Entwicklungsländer, die heute auf den Tourismus als Wirtschaftsmotor setzen, sollten aus diesen Erfahrungen lernen", sagte Monshausen. Die äußere Verwundbarkeit der Länder ist sehr groß, nicht nur in Bezug auf Terrorattacken, sondern auch im Falle von Naturkatastrophen. Es gilt darüber hinaus darauf zu achten, dass gesellschaftliche Ungleichheit und Elitenbildung nicht verstärkt werden.

Partnerorganisationen von Brot für die Welt beklagen immer wieder, dass neue touristische Entwicklungen mit Land- und Wasserkonflikten einhergehen und die Menschen unter fehlender Mitbestimmung, schlechten Arbeitsbedingungen und mehr Umwelt- und Klimabelastungen leiden.

Das evangelische Hilfswerk setzt sich deshalb für eine konsequente Tourismus-Wende ein. Mit der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen gibt es inzwischen einen Referenzrahmen, woran sich nachhaltiger Tourismus ausrichten soll: an den Menschen, der Erde, wirtschaftlichem und sozialem Nutzen, an Frieden und Partnerschaft (im Englischen: 5 P’s: People, Planet, Prosperity, Peace, Partnership).

Als Wohlstandsphänomen ist der Tourismus in besonderem Maße gefordert, die Entwicklungschancen von Ländern nicht zu schmälern. Dass immer mehr Reisende nachhaltige Angebote wünschen und erste Reiseveranstalter die Auswirkungen ihres Wirtschaftens auf die Menschenrechte untersuchen, stimmt Brot für die Welt optimistisch. Damit die Tourismus-Wende gelingt, sieht Antje Monshausen jetzt die Staaten in der Pflicht: "Heute sind nicht-nachhaltige Angebote wegen Marktverzerrungen im Vorteil gegenüber verantwortlich gestalteten Reisen." Der Abbau klimaschädigender Subventionen, allen voran im Flugverkehr, und die Einführung verbindlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen, auch wenn sie im Ausland agieren, sind wichtige Schritte hin zu einem zukunftsfähigen Tourismus, erklärte Monshausen.

=> Studie: "Tourismuswende - Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Die Transformation im Tourismus gestalten"

=> Tipps zum fair reisen

Quelle: brot-fuer-die-welt.de/


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