Interview mit Dr. Theo Spettmann, Vorstandsprecher der Südzucker AG, Mannheim/Ochsenfurt

Welche Bedeutung hat Zucker in der menschlichen Ernährung?

Dr. Theo Spettmann: Zucker hat eine grundsätzliche Bedeutung. Er ist ein Grundnahrungsmittel - wie Milch, Mehl und Fleisch und damit - ob direkt verzehrt oder indirekt in weiterverarbeiteten Produkten - ein fester Baustein der menschlichen Ernährung.

Das sieht man auch daran, dass der Zuckerverbrauch keinen großen Schwankungen unterliegt. In Deutschland liegt er bei 34 Kilo pro Kopf und Jahr. Was sich im Laufe der Zeit verändert hat, ist lediglich das Verhältnis zwischen direktem und indirektem Verbrauch. 80 Prozent des Zuckers geht mittlerweile an die weiter verarbeitende Industrie. Dieser Anteil nimmt weiter zu, da die Menschen immer stärker auf Convenience-Produkte zurückgreifen und den Zucker nicht mehr am eigenen Herd verwenden.

Für die Zuckerhersteller hat das nicht nur Vorteile: Denn die Margen, die wir gegenüber Großunternehmen erzielen können sind unter Druck geraten. Gerade der Einzelhandel in Deutschland ist so konzentriert, dass wir 80 Prozent unseres diesbezüglichen Umsatzes mit nur noch acht Unternehmen machen. Um in diesem Markt bestehen zu können, brauchen wir Kampfgewicht und müssen weiter wachsen.

Welche Bedeutung hat die Zuckerindustrie für die deutsche Wirtschaft?

Dr. Theo Spettmann: Die Branche ist ausgesprochen bodenständig. Sie steht mit beiden Beinen in der Landwirtschaft und tut sehr viel für den ländlichen Raum und für die dort wohnenden Menschen: Wir haben in Deutschland rund 55.000 bäuerliche Betriebe, die direkt mit der Zuckerwirtschaft verbunden sind und der Zuckerrübenanbau eine erhebliche Bedeutung hat. In der EU sind es insgesamt 300.000 Betriebe. 33.000 Rübenanbauer sind übrigens Anteilseigner bei der Südzucker AG.

Das ist aber nur die Rohstoffseite. Die Zuckerwirtschaft ist zudem ein fester Bestandteil unseres mitteleuropäischen Wirtschaftssystems. Man muss bedenken, dass eine Industrie auch eine industrielle Unterstützung braucht - zum Beispiel aus dem Handwerksbereich oder dem Maschinenbau.

Das Hauptziel der europäischen Zuckerindustrie ist die Versorgung der europäischen Konsumenten. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass Zucker ein Naturprodukt ist, das von den Unbilden des Wetters abhängt. Wenn gute Wetterbedingungen hohe Hektarerträge ermöglichen, entstehen Überschüsse.

Es wird also etwas mehr angebaut, damit die Zuckermenge reicht, falls das Wetter schlecht ist?

Dr. Theo Spettmann: Der Hektarertrag variiert zwischen acht und elf Tonnen Zucker pro Hektar. Wenn Sie das mit dem Exportvolumen in der EU vergleichen, das höchsten 20 Prozent der Erzeugung ausmacht, zeigen sich darin genau diese Schwankungen.

Welche Konsequenzen hätte denn eine teilweise Deregulierung des Zuckermarktes? Das Bundeswirtschaftsministerium hatte ja gefordert, mindestens die Exporte zu beenden.

Dr. Theo Spettmann: Das wird ja schon praktiziert. Seit neuestem haben wir eine flexible Mengenanpassung - je nachdem wie die Ernten ausfallen. Die Quoten werden von der EU-Kommission je nach Zuckeraufkommen neu fixiert. Letztes Jahr war die Ernte gut, und deshalb sind die Quoten dieses Jahr um rund acht Prozent gesenkt worden. Erst werden die Lager geräumt und nur, wenn die Ernte dies Jahr schlecht ausfällt, werden die Mengen wieder erhöht. Auch die Südzucker AG darf in diesem Jahr nur 93 Prozent der Rübenmenge des Vorjahres annehmen.

Dieses System ist aufgrund unserer WTO-Verpflichtungen geschaffen worden. Wir finden das vernünftig und tragen es mit. Ganz funktioniert es zwar noch nicht, weil es - auch von Seiten der Behörden - erst eingeschliffen werden muss. Aber vom Ansatz her ist es absolut ok.

Für die am wenigsten entwickelten Länder hat die EU die "Initiative alles außer Waffen" gestartet. Wäre das ein Problem für Sie als Hersteller?

Dr. Theo Spettmann: Vom Grundprinzip sind wir nicht gegen solche Formen der Entwicklungshilfe. Auch die 1,6 Millionen Tonnen AKP-Zucker, die in die EU hinein gehen und dann wieder exportiert werden sind ja eine Unterstützung für Teile von Afrika, der Karibik und des Pazifiks.

Die Initiative ist also im Prinzip in Ordnung. Aber sie darf nicht dazu führen, dass man Karussellgeschäfte macht; dass also von diesen Ländern Zucker in die EU geschleust wird, den sie nicht selber erzeugt haben. Die stufenweise Einführung der "Alles außer Waffen"-Initiative läuft ja schon - aber es muss vernünftig kontrolliert werden. Es kann nicht sein, dass Schlupflöcher entstehen. Auch dürfen durch die Initiative keine substantiellen Störungen des Gemeinschaftsmarktes entstehen - ansonsten hat die EU-Kommission sich verpflichtet, sochen Störungen zu begegnen.

Das Interview führte Uwe Kerkow


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