ilo 200Genf. - 20 Jahre nach der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking, die weitreichende Forderungen für Geschlechtergleichheit und Stärkung der Frauen in der Arbeitswelt verabschiedete, hat sich die Lage der Frauen nur geringfügig verbessert. "Geht es arbeitenden Frauen heute besser als vor 20 Jahren?", fragte ILO-Generaldirektor Guy Ryder. "Die Antwort ist ein qualifiziertes Ja. Hat der erzielte Fortschritt unsere Erwartungen erfüllt? Die Antwort ist ein entschiedenes Nein! Wir brauchen innovative Ansätze, müssen die Debatte darüber neu führen, wie wir die Rechte der Frauen in der Arbeitswelt stärken, um zu mehr Geschlechtergleichheit zu kommen."

Die im Jahr 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz in Peking verabschiedete Erklärung und die Aktionsplattform von Peking zeigen in ihrer Umsetzung ein gemischtes Bild, so die International Labour Organisation (ILO) in ihrer Studie "Women and the Future of Work – Beijing + 20 and Beyond"

Spürbare politische, legislative sowie Fortschritte bei der Ratifizierung von Internationalen Arbeitsstandards hat es hingegen gegeben. Im Jahr 1995 hatten beispielsweise 125 ILO-Mitgliedsstaaten das ILO-Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit ratifiziert. 122 Staaten hatten das ILO-Übereinkommen 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ratifiziert. Heute liegen die entsprechenden Zahlen bei 171 und 172. Dennoch sind Frauen bei der Arbeit weltweit umfassender Diskriminierung und Ungleichheit ausgesetzt. In vielen Teilen der Welt sind Frauen oft in unterbewerteten und somit niedrig entlohnt Jobs beschäftigt. Frauen haben oft geringeren Zugang zu Bildung, Ausbildung und Vermittlung, ihre Verhandlungs-und Entscheidungsmacht ist begrenzt. Zusätzlich müssen mehrheitlich Frauen die Verantwortung für unbezahlte Betreuungs-und Pflegeaufgaben zuhause schultern.

Seit 1995 hat sich die Lücke bei der Erwerbsquote zwischen Männern und Frauen weltweit nur geringfügig verkleinert. Derzeit sind rund 50 Prozent aller Frauen erwerbstätig – gegenüber 77 Prozent der Männer. Im Jahr 1995 lagen die entsprechenden Zahlen bei 52 beziehungsweise 80 Prozent. Es wird geschätzt, dass in den G20-Ländern bei einer Verringerung der Erwerbsquotenlücke zwischen Männern und Frauen um 25 Prozent bis 2025 mehr als 100 Millionen Frauen zur Erwerbsbevölkerung hinzu kämen. Der Zugang zum Mutterschutz hat sich verbessert, auch wenn viele Frauen davon immer noch nicht profitieren können. Während der Anteil der Länder, die 14 Wochen Mutterschutz oder mehr anbieten, von 38 auf 51 Prozent gestiegen ist, haben mehr als 800 Millionen Frauen weltweit oder 41 Prozent aller Frauen keinen ausreichenden Mutterschutz.

Gleichzeitig entdecken Staaten verstärkt die Verantwortung der Männer für Familienarbeit. 1994 sahen 28 Prozent der untersuchten Länder Möglichkeiten von Vaterschaftszeiten vor. 2013 hat sich dieser Wert mit 56 Prozent verdoppelt, was eine deutliche Wendung zur Teilung von Familienaufgaben zwischen den Geschlechtern zeigt. Frauen besitzen oder führen mehr als 30 Prozent aller Unternehmen, allerdings im Wesentlichen Klein- und Kleinstunternehmen. Frauen besetzen weltweit 19 Prozent der Vorstandposten, aber nur fünf Prozent der Vorstands vorsitzenden der weltgrößten Firmen sind Frauen. Auch wenn Männer zunehmend beginnen, mehr Familienaufgaben zu übernehmen, schultern Frauen dennoch den größten Anteil der Verantwortung für Familienarbeit.

In der Europäischen Union verwenden Frauen beispielsweise im Durchschnitt 26 Stunden pro Woche für Haushalts- und Familienarbeiten, verglichen mit neun Stunden der Männer. Verbunden damit ist der deutlich höhere Anteil an Teilzeitarbeitsplätzen, die typischerweise weniger gut entlohnt werden und zudem in einer schlechte Prognose für die Alterssicherung münden. Vielen Frauen weltweit wird der Zugang zu bezahlter Arbeit verwehrt. Gewalt bleibt ein Hauptproblem, das die Würde der Frauen unterminiert und ihren Zugang zu guter Arbeit verhindert. Ungefähr 35 Prozent aller Frauen sind Opfer physischer oder sexueller Gewalt, was sich auf ihre Teilnahme an der Welt der Arbeit auswirkt.

Die Entgeltlücke besteht fort, für Frauen mit und ohne Kinder. Im Allgemeinen erhalten Frauen im Durchschnitt 77 Prozent dessen, was Männer erhalten. Die Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen ist bei gut verdienenden Frauen sogar größer. Ohne gezielte Maßnahmen würde laut ILO-Berechnungen erst im Jahr 2086 - beziehungsweise in 71 Jahren - Einkommensgleichheit zwischen Frauen und Männern erreicht werden. Die Entgeltlücke wegen Mutterschaft scheint in den Entwicklungsländern größer zu sein als in Industrieländern. Global betrachtet vergrößert sich diese Kluft mit der Anzahl der Kinder einer Frau. So zeigt sich in vielen europäischen Ländern bei einem Kind nur ein kleiner negativer Effekt, wohingegen Frauen mit zwei oder drei Kindern einer erheblichen Lohndiskriminierung ausgesetzt sind.

In Entwicklungsländern gibt es Anzeichen, dass auch das Geschlecht des Kindes bedeutend ist, da Töchter eher als Söhne Haushalts- und Familienaufgaben übernehmen und dadurch die Entgeltlücke wegen Mutterschaft reduzieren. "20 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking und trotz einiger kleiner Fortschritte ist klar: Nach derzeitigem Stand wird es noch Jahre, ja Jahrzehnte dauern, bis Frauen die gleichen Rechte genießen und gleichermaßen von ihrer Arbeit profitieren wie Männer. Es braucht mutige und zielgenaue politische Entscheidungen für Veränderungen“, so Shauna Olney, Direktorin der ILO-Abteilung für Gender, Gleichheit und Vielfalt.

Quelle: ilo.org


Back to Top

Wir nutzen ausschließlich technisch notwendige Cookies auf unserer Website.