Berlin/Bonn. - Mit Unverständnis und heftiger Kritik haben Brot für die Welt, Germanwatch und MISEREOR auf den Widerstand aus Teilen von Politik, Unternehmen und Gewerkschaften gegen den Plan von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Begrenzung der Kohleverstromung reagiert. Die NGOs sprachen am Freitag von "Panikmache".
Vor dem Treffen Gabriels mit den Energieministern der Länder am Freitag erklärte Brot für die Welt: "Die Gegner dieser Reformen setzen mit unverantwortlicher Panikmache hinsichtlich möglicher Beschäftigungseffekte alle Bemühungen aufs Spiel, einen Beitrag zur Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels zu leisten. Dabei vernachlässigen sie, welchen Schreckensszenarien arme Länder bereits jetzt ausgesetzt sind, wenn wir den Klimawandel nicht bremsen."
Bernd Bornhorst, Leiter der Abteilung Politik und globale Zukunftsfragen bei MISEREOR, sagte: "Frau Merkel und Herr Gabriel haben am 3. Dezember der Weltöffentlichkeit versprochen, dass Deutschland zu seinem Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 stehe. Sollte die konsequente Umsetzung dieses Klimaschutzinstruments scheitern, ist das versprochene Klimaschutzziel Geschichte. Damit wäre Deutschlands Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik ausgerechnet in der entscheidenden Phase vor dem Abschluss eines Weltklimavertrags dahin. Das wäre ein verheerendes Signal für den Klimagipfel in Paris Ende des Jahres."
Die vom Klimawandel besonders betroffenen Länder schauen vor dem G7-Gipfel im Juni in Deutschland und den Internationalen Klimaverhandlungen im Dezember in Paris ganz besonders auf die Klimapolitik Deutschlands. Ein Verzicht auf wirkungsvolle Instrumente zur Begrenzung der Kohleverstromung oder ein Aufweichen des Instrumentes und damit der Klimaschutzziele würde der Glaubwürdigkeit Deutschlands massiv schaden.
Neben den Gefahren für die deutsche und internationale Klimapolitik sehen die drei Organisationen auch große Risiken für die Braunkohleregionen, für deren Zukunft die Kritiker aus Union, SPD, Gewerkschaften sowie RWE und Vattenfall ja angeblich streiten: Je früher man in einen notwendigen Strukturwandel einsteigt, desto sozialverträglicher lässt er sich gestalten. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: "Diese Verzögerungstaktik nutzt den Braunkohlerevieren nicht. Im Gegenteil: Sie raubt ihnen Perspektiven." Denn was die Kritiker vollkommen unterschlagen sind die positiven Effekte eines solchen Strukturwandels. "Neue Arbeitsplätze würden nicht nur in der Erneuerbaren-Energien-Branche und im Bereich Energieeffizienz entstehen, sondern auch in wesentlich saubereren Kraftwerken, die mit weniger Braunkohlestrom im Netz eine neue Chance bekommen könnten. Der sozial-ökologische Strukturwandel braucht weiterhin starke Gewerkschaften, die für die Rechte der Beschäftigten und die Qualität der Arbeitsplätze auch in neuen Branchen kämpfen", erläutert Christoph Bals.
Die Seriosität der Kampagne für die Braunkohle lässt sich mit einem einfachen Blick auf die Zahlen überprüfen. Nach Medienberichten warnt RWE vor dem Verlust von bis zu 100.000 Arbeitsplätzen - davon allein 30.000 direkt in der Braunkohleindustrie. Dabei sind laut dem Bundesverband Braunkohle bundesweit nur gut 21.000 Menschen in Braunkohlerevieren und - kraftwerken beschäftigt. Das gleiche gilt für die Gesamtzahl von angeblich 100.000 gefährdeten Arbeitsplätzen. Der Branchenverband selbst geht von insgesamt lediglich 86.000 direkt und indirekt von der Braunkohle abhängigen Beschäftigten aus. Auch die vielen neuen Arbeitsplätze durch den Strukturwandel werden nicht gegengerechnet. Und, nicht zu vergessen: Die Pläne der Regierung würden die Braunkohleverstromung lediglich einschränken - nicht abschaffen. Bals: "Die Bundesregierung darf sich seriöse Klimapolitik nicht von unseriöser Panikmache kaputtmachen lassen."
Quelle: www.germanwatch.org | www.brot-fuer-die-welt.de | www.misereor.de