Berlin. - Gibt es drei verschiedene "Kasten" von Entwicklungshelfern? Diesen Eindruck vermittelt zumindest ein Buch einer ehemaligen Auslands-Fachkraft der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), das unlängst als "E-Book" erschienen ist: "Sekt und Selters in der staatlichen deutschen Entwicklungshilfe". Das Werk ist trockener Lesestoff, behandelt es doch in erster Linie Fragen der Entlohnung und steuerlichen Einstufung von Auslandsmitarbeitern. Es wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Grauzone, in der Fach- und Führungskräfte in der Entwicklungszusammenarbeit jahrelang gearbeitet haben.
Die Schlagzeilen im Jahr 2013 waren wenig schmeichelhaft: "Experten in Steuervermeidung" wurden GIZ-Mitarbeiter genannt, dabei sollte die GIZ doch die Verwaltungen in Entwicklungsländern beraten, wie man ein effektives Steuersystem aufbaut. Jahrelang zahlten viele Experten der GIZ keinerlei Steuern, wenn sie bei der Ausreise ihren deutschen Wohnsitz aufgaben. Möglich machten dies Abkommen der Bundesregierung mit Nehmerländern, die Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit steuerfrei stellten. Seit 1. Januar 2014 ist klar, dass auch die GIZ für ihre Auslandsmitarbeiter Lohnsteuer abführen muss.
"Sekt und Selters"-Autor Michael Wolski hatte für verschiedene US-Konzerne im Bereich "Business Development" in Osteuropa gearbeitet, ehe er zum Ende seines Arbeitslebens als "Integrierte Fachkraft" des Centrums für internationale Migration und Entwicklung (CIM), einer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und der Bundesagentur für Arbeit, als Generalsekretär eines deutschen Wirtschaftsvereins auf dem Balkan tätig wurde. Heute steht er vor der Privatinsolvenz.
Wolski unterscheidet drei Gruppen von "Spezialisten", die unter dem Dach der GIZ im Ausland arbeiten: Entwicklungshelfer, GIZ-Auslandsmitarbeiter und die Integrierten Fachkräfte der CIM, die zu örtlichen Vertragsbedingungen arbeiten und als finanziellen Ausgleich einen Zuschuss zum ortsüblichen Gehalt bekommen. Der Autor hat ausgerechnet, dass GIZ-Mitarbeiter in der Vergangenheit etwa das 5,2-fache des deutschen Mindestlohns erhielten, Entwicklungshelfer netto mit dem 0,7-fachen des Mindestlohns auskommen mussten und eine Integrierte Fachkraft "bei Steuerzahlung im schlechtesten Fall nur das 0,3-fache des Mindestlohns netto übrig hatte und deshalb gezwungen war, "zwischen Steuerzahlung und Überleben zu wählen".
Weil sich die steuerlichen Bedingungen im Einsatzland änderten, blieben Wolski nach eigenen Angaben letztlich nur 45 Prozent netto vom Gehalt. Und weil er die GIZ verklagte, den Prozess aber verlor und hohe Anwaltskosten tragen musste, endete sein Arbeitsverhältnis letztlich mit einem "Absturz total".
Das Buch schildert einen Einzelfall und kann schon deshalb nicht als Leitfaden für ausreisewillige Fachkräfte dienen, weil sich die steuerlichen Regelungen seit 2014 geändert haben. Es mahnt aber dazu, sich auf jeden Fall genau über die Konditionen zu informieren, unter denen ein Einsatz im Ausland in Frage kommt.
Michael Wolski: "Sekt und Selters in der staatlichen deutschen Entwicklungshilfe"
Taschenbuch on Demand (204 Seiten) oder E-Book
Verlag: epubli GmbH 2015
ISBN 978-3737535151