Berlin. - Vom 9. bis 11. Oktober kommen in Lima die Gouverneure der Weltbank-Trägernationen zusammen, um die Strategie der weltweit einflussreichsten Entwicklungsorganisation zu diskutieren. Neben Politikern und Unternehmensvertretern reisen auch Nichtregierungsorganisationen wie urgewald an, um sich in die Debatten einzuschalten. Denn die weltweit einflussreichste Entwicklungsinstitution überarbeitet ihre Umwelt- und Sozialstandards, auch "Safeguards" genannt. urgewald und zahlreiche weitere Menschenrechts-Organisationen haben die bisherigen Vorschläge kritisiert und warnen davor, dass diese beschloßene Sache werden.
Verantwortlich dafür sei als eine der größten Gebernationen auch Deutschland. Derzeit wird der zweite Entwurf für die Überarbeitung der Safeguards diskutiert, der Anfang August veröffentlicht wurde. Den ersten Entwurf gab die Weltbank im Juli 2014 heraus. Nach bisherigen Plänen sollen die neuen Standards bis zum Jahresende verabschiedet werden, wobei eine Verzögerung bis ins nächste Jahr hinein wahrscheinlich ist.
Die Schutzstandards gelten für alle Förderprojekte der Weltbank, die über Regierungen finanziert werden. Millionen Menschen in Entwicklungsländern sind davon betroffen. Schon der erste Reform-Entwurf enthielt eine massive Verwässerung von Schutzstandards. Auch der neue Vorschlag für das so genannte "Environmental & Social Safeguards Framework" würde die Vorgaben empfindlich schwächen. Laut dem zweiten Entwurf sollen die Standards in Zukunft weitgehend in das Ermessen der Nehmerländer fallen, statt wie bisher verbindlich zu sein. Bei so fundamentalen Bedingungen wie der Wahrung der Rechte indigener Gemeinden oder der Erhaltung empfindlicher Ökosysteme will die Bank die Überwachung abgeben warnt urgewald. Dabei sind die Nehmerländer immer wieder selbst Auslöser für die Probleme vor Ort.
Auch bei den einzelnen Standards zeige der Text gravierende Schwächen. Beispiel Menschenrechte: Weiterhin weigert sich die Weltbank, bei Großstaudämmen und anderen hochriskanten Projekten zu prüfen, ob diese zu Menschenrechtsverletzungen beitragen oder sie verschärfen. Beispiel Sicherheitskräfte: Die Bank schlägt vor, die Anwendung von "präventiver" Gewalt durch staatliche oder private Sicherheitskräfte in Nehmerländern zu erlauben. Beispiel Konsultationen: Die bisherige Praxis, betroffene Gemeinden bei riskanten Projekten vorab über mögliche Auswirkungen zu informieren und zu konsultieren, soll nach Angaben von urgewald wegfallen.
Wie wichtig verbindliche Standards und ihre kontinuierliche Überprüfung durch die Bank sind, zeige sich zum Beispiel bei Zwangsumsiedlungen. Die Zahl der betroffenen Menschen werde in Zukunft durch die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte weiter zunehmen. Im März dieses Jahres musste Weltbank-Präsident Kim zugeben, dass Schutzmaßnahmen für Menschen, die durch Weltbank-Projekte von Zwangsumsiedlungen betroffen waren, schlecht umgesetzt wurden. Die Bank hatte fatalerweise nicht verfolgt, was mit den Menschen geschah. Kims Eingeständnis wurde durch Veröffentlichungen des journalistischen Rechercheverbunds ICIJ ausgelöst. Demnach sind im Zeitraum von 2004 bis 2013 in insgesamt 972 Weltbank-Projekten etwa 3,4 Millionen Menschen zu Opfern von Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen, Repressionen oder der Zerstörung von Lebensgrundlagen geworden. Das zeigt, es bräuchte dringend eine strengere Durchführung und Kontrolle von Standards, nicht das derzeit geplante Gegenteil.
Auch bei der Weltbank-Tochter für Projekte mit Partnern in der Privatwirtschaft zeigen sich große Probleme. Die International Finance Corporation (IFC) vergibt einen Großteil ihrer Gelder über so genannte "Finanzintermediäre" wie Banken oder Fonds. Hier fehle es an Transparenz und Kontrolle kritisiert urgewald. Immer wieder würden Projekte finanziert, die zu mehr Leid und Not führen, statt Entwicklung zu ermöglichen.
Gleichzeitig plane die Bank, ihr Kapital zunehmend in riskante Großprojekte zu investieren und schneller abfließen zu lassen. Die Risiken für Menschen, vor allem die schwächsten sozialen Gruppen, sind dabei enorm, gleiches gilt für die Umwelt, so urgewald.
Die Weltbank reagiert mit dieser Risikostrategie, nach Einschätzungen von urgewald auf die zunehmende Konkurrenz im Bereich der Entwicklungsfinanzierung. So hat im Juli die neue Entwicklungsbank der BRICS-Länder ihre Arbeit aufgenommen. Größter Anteilseigner ist, wie auch bei der neuen Asiatischen Infrastrukturbank AIIB, China. Anfang 2016 will die AIIB ihren Betrieb aufnehmen. Sie wird ihren Sitz in Beijing haben und soll über ein Anfangskapital von 100 Milliarden US–Dollar verfügen. Deutschland ist neben weiteren EU-Staaten Gründungsmitglied der AIIB und größter europäischer Kapitalgeber.
Laut urgewald schwächt die Weltbank mit der vorgeschlagenen Verwässerung von Umwelt- und Sozialstandards und der Ablehnung menschenrechtlicher Prüfungen ihre eigenen, offiziellen Ziele - Armut zu bekämpfen und nachhaltige Entwicklung zu fördern.
Quelle: urgewald.org