oecd 80Berlin. - Der Entwicklungsausschuss der OECD (DAC) hat am Mittwoch den Prüfbericht 2015 für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit vorgelegt. Darin bescheinigt der Ausschuss der Bundesregierung, Deutschland trage auf der internationalen Ebene maßgeblich zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung bei. Deutschlands Auslandshilfe habe eine Rekordmarke erreicht und steige noch an. Es seien jedoch weitere Anstrengungen erforderlich, um den international vereinbarten Zielwert der Geberländer zu erreichen und Deutschlands selbstgestecktes Ziel zu erfüllen, den bedürftigsten Ländern mehr Hilfe zu gewähren.

Die jüngste "DAC Peer Review" für Deutschland begrüßt Deutschlands aktiven Einsatz für nachhaltige Entwicklung und rät dazu, nun die Zuteilungskriterien und Fördermittel an der erklärten Absicht auszurichten, den ärmsten und instabilsten Ländern zu helfen. Deutschland sollte auch einen Zeithorizont für die Erhöhung seiner Mittel für Entwicklungszusammenarbeit festlegen, um das Jahrzehnte alte Finanzierungsziel der Vereinten Nationen für Geberländer in Höhe von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu verwirklichen, so der Bericht.

Die deutsche Entwicklungshilfe stieg laut DAC-Bericht im Jahr 2014 um 12% und erreichte einen historischen Höchststand von 16,25 Mrd. US-Dollar; jährliche Aufstockungen seien bis 2019 vorgesehen. Deutschlands derzeitiges Wirtschaftswachstum führe jedoch dazu, dass die Entwicklungshilfefinanzierung trotz Aufstockung bei gerade einmal 0,4% des BNE verharre.

Der Prüfbericht zeige zudem, "dass Deutschlands erklärtes Ziel, sich den ärmsten Ländern zu widmen, in seinen Mittelzuflüssen nur unzureichend zum Ausdruck kommt", so die OECD. Der Anteil bilateraler Hilfen für die am wenigsten entwickelten Länder sei im Jahr 2013 auf 24% gesunken und habe damit den niedrigsten Stand der vergangenen fünf Jahre erreicht. Hauptbegünstigte der deutschen Entwicklungshilfe seien China und Indien.

"Das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit entsteht auch dadurch, dass Deutschlands Zuteilungskriterien und Förderprogramme nicht konsequent an seinen Zielen ausgerichtet sind", konstatiert der Entwicklungsausschuss der OECD. So könne beispielsweise die gute Staatsführung als Leistungskriterium für Entwicklungszusammenarbeit kontraproduktiv sein für das deutsche Ziel, prekären Staaten zu helfen. Der wachsende Anteil von Darlehen zu Vorzugsbedingungen im deutschen Portfolio bedeute, dass mehr Entwicklungshilfe an Länder mit mittlerem Einkommen fließt und weniger an die ärmsten.

"Deutschlands Bemühungen, sein Hilfsbudget aufzustocken, sind lobenswert. Dank seiner guten Konjunktur könnte das Land aber ehrgeizigere Pläne verfolgen, etwa in Form zeitlich festgelegter Meilensteine bis zum Erreichen des 0,7%-Ziels im Jahr 2030, wie dies zuletzt die EU gefordert hat", sagte der Vorsitzende des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC), Erik Solheim. "Angesichts wachsender Haushaltsmittel sollte Deutschland auch sein Versprechen einlösen, die am stärksten hilfsbedürftigen Länder prioritär zu behandeln."

Lob erhält Deutschland im Prüfbericht für seine Pionierrolle beim gezielten Einsatz von Entwicklungshilfe, um Investitionen des privaten Sektors für die nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren. Herausragend sei auch das deutsche Engagement nebst innovativen Finanzierungsansätzen zur Bekämpfung des Klimawandels. Gleiches gelte für seine Bemühungen, die Qualität der Hilfsleistungen zu verbessern, beispielsweise durch größere Effizienz und Programme, die stärker auf örtliche Gegebenheiten zugeschnitten sind.

Deutschland sei eines der wichtigsten Geberländer für bilaterale Hilfe und habe die Empfehlungen der letzten Peer Review aus dem Jahr 2010 ganz oder zumindest teilweise umgesetzt, so der Ausschuss.

Jedes Mitglied des DAC wird im Fünfjahresabstand einer Prüfung unterzogen, um Leistungen zu kontrollieren, die Einhaltung früherer Zusagen zu überprüfen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. In die Prüfung fließen Angaben von Amtsträgern des zu prüfenden Landes sowie von Partnerländern ein – für die Prüfung Deutschlands waren dies Kenia und Mosambik. Befragt werden auch Vertreter der Zivilgesellschaft, der Privatwirtschaft und weiterer Geberinstitutionen.

KEKERITZ: CHANCEN VERPASST

"Die Bundesregierung verpasste es auch in den vergangenen fünf Jahren, wichtige Weichen für eine wirksame Entwicklungspolitik zu stellen", kommentierte der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz, den DAC-Bericht. "Die OECD-Expertinnen und Experten kritisieren das Entwicklungsministerium zu Recht dafür, dass es trotz seiner neuen Koordinierungsrolle bei den ODA-Mitteln keine Politikkohärenz schafft. Für die nationale Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele braucht es jedoch Politik aus einem Guss und keine widersprüchlichen Maßnahmen einzelner Ressorts. Minister Müller kann sich am Kabinettstisch nicht durchsetzen. Auch Bundeskanzlerin Merkel ist in der Pflicht. Das Kanzleramt versäumt es, eine klare Linie zur Verankerung der UN-Nachhaltigkeitsziele vorzugeben. So rückt eine wirksame Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsagenda in weite Ferne."

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) setze stattdessen auf entwicklungspolitische Nebelkerzen, erklärte Kekeritz. Für die unverbindliche Zukunftscharta, die Minister Müller vorgelegt hat, fehle eine klare Umsetzungsagenda. Das sei auch dem OECD-Entwicklungsausschuß nicht verborgen geblieben. "Müller, der das windelweiche Dokument zum Grundsatzpapier der deutschen Entwicklungspolitik hochjubelte, muss endlich liefern", erklärte Kekeritz.

Der Bericht macht aus der Sicht der grünen Bundestagsfraktion zudem deutlich, dass fehlende langfristige Finanzierungszusagen "zum bitteren running gag" werden. Die Bundesregierung liefere weiterhin keinen transparenten und realistischen Aufholplan für das 0,7-Prozent-Versprechen. Für eine führende Industrienation sei das ein peinliches Armutszeugnis.

ONE: MEHR TRANSPARENZ NÖTIG

"Der neue OECD-Bericht zeigt, dass Deutschland begonnen hat, seine Hausaufgaben zu machen", sagte Tobias Kahler, Deutschlanddirektor der Lobby-Organisation ONE. "Insbesondere die durch den OECD-Bericht bescheinigte stärkere strategische Einbindung multilateraler Organisationen wie den Globalen Fonds oder Gavi ist begrüßenswert. Alarmierend ist jedoch die Feststellung des Berichts, dass Deutschlands Entwicklungszusammenarbeit mit den am wenigsten entwickelten Ländern abnimmt."

Kahler mahnte zudem mehr Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit an. Die Bundesregierung müsse über alle Finanzflüsse nach dem internationalen Standard der International Aid Transparency Intitiative (IATI) berichten. Das Entwicklungsministerium berichte zumindest über die bilateralen Gelder entsprechend; das Auswärtige Amt und das Umweltministerium hingegen gar nicht.

"Transparenz ist unverzichtbar, um die Globalen Ziele zu erreichen", betone Kahler. "Das Auswärtige Amt und das Umweltministerium müssen endlich ihre Transparenz erhöhen und Finanzflüsse nach internationalen Standards berichten. Auch das BMZ muss hier noch nachziehen und auch die multilateralen Gelder nach IATI berichten. Transparenz reduziert Korruption, fördert Koordination und längerfristige Planung, dient der Rechenschaftspflicht und erhöht langfristig Effizienz und Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit."

=> DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit: Deutschland 2015

Quellen: www.oecd.de | www.gruene-bundestag.de | www.one.org 


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