OxfamBrüssel/Berlin (epo). - Das von den EU-Agrarministern beschlossene Zuckerabkommen ist nach Ansicht der Umweltorganisation WWF und der Entwicklungsorganisation Oxfam "das schlechtestmögliche Ergebnis, das für Entwicklungsländer und ihre Umwelt herauskommen konnte". Das Abkommen garantiere kein Ende des Dumpings, werde in Entwicklungsländern aber ganze Industriezweige und die Erwerbsgrundlagen vieler Menschen zerstören, erklärten die NRO am Freitag.

"Das volle Ausmaß der Folgen dieser harten Reform ist noch nicht abzuschätzen, aber es ist jetzt schon klar, dass Millionen armer Landwirte und die Umwelt darunter leiden werden, wenn nicht bis Ende des Jahres ein umfassendes Paket an Ausgleichsmaßnahmen beschlossen wird", warnten die Organisationen.

"Entwicklungsländer wurden geopfert, damit Europa sich einigen kann", sagte Luis Morago, Leiter des Büros von Oxfam International in Brüssel. "Die EU-Kommission hat ihre Mitgliedsstaaten reichlich bedacht, damit sie der Reform zustimmen, aber einige der ärmsten Länder der Welt werden in die Mittellosigkeit verbannt. In einem Jahr, im dem man den Fokus auf Armutsbekämpfung und Afrika legen wollte (z.B. beim G8-Gipfel und beim UN-Millennium+5-Gipfel) und nur einige Tage vor der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong, ist dies ein besonders harter Schlag, vor allem, da die EU für Hongkong angeblich auf ein entwicklungsförderndes Abkommen drängt. Als absolutes Minimum müssen die Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Treffen im Dezember angemessene langfristige Kompensationsmaßnahmen für die Entwicklungsländer beschließen, um die Effekte dieser harten Reform abzumildern."

Die EU-Agrarminister hatten am Donnerstag beschlossen, die internen Zuckerpreise innerhalb von vier Jahren um 36% zu senken. Dies schade der Wirtschaft vieler zuckerabhängiger Entwicklungsländer, so Oxfam und WWF.

Der Reformvorschlag werde Europa zudem die Möglichkeit eröffnen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn die jährliche Steigerungsrate der Importe aus den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) über 25% liege. Dies könne zu einem Bruch der Versprechen der EU-Kommission führen, im Rahmen der Alles-außer-Waffen-Initiative (Everything but Arms - EBA) den LDCs ab 2009 einen zoll- und quotenfreien Zugang zum europäischen Zuckermarkt zu gewährleisten. Oxfam und WWF schätzen, dass die aus diesen Exportbegrenzungen resultierenden Einkommenseinbußen für die LDCs "im schlimmsten Fall eine Mrd. Euro jährlich betragen könnten".

"Ein weiterer Schlag ins Gesicht der Entwicklungsländer" ist nach Auffassung der beiden NRO die fehlende Garantie, das Zuckerdumping zu beenden. Ein Teil der europäischen Ausgleichszahlungen werde an die Produktion gebunden sein. Der Anreiz zur Überproduktion könnte damit erhalten bleiben, argumentieren WWF und Oxfam. "Ob die EU so den Auflagen des WTO-Schiedsgerichtes gerecht wird, die subventionierten Zuckerexporte einzustellen, ist mehr als fraglich".

"Die Reform hätte nicht schlechter ausfallen können", sagte Adam Harrison vom WWF. "Viele Entwicklungsländer haben das Potenzial, die EU mit Zucker zu beliefern - unter Berücksichtigung von hohen Umweltstandards. Unter dem nun vorgelegten Vorschlag können sie dieses Potenzial nicht nutzen. Wenn die EU-Kommission den traditionellen Zulieferern und den am wenigsten entwickelten Ländern nicht erheblich mehr Kompensationszahlungen für Anpassungsmaßnahmen zuspricht, werden diese durch die Reform zu einer trostlosen Zukunft verdammt."

Mit dem jetzigen Vorschlag sollen die AKP-Staaten (ehemalige Kolonien europäischer Länder) lediglich 40 Mio. Euro an Ausgleichszahlungen erhalten - und dies auch nur im ersten Jahr der Reform. Für die ärmsten Länder (die LDCs) sei gar keine finanzielle Unterstützung vorgesehen, so Oxfam und WWF. "Im Gegensatz dazu erhalten die europäischen Landwirte von 2006 - 2009 jährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von 900 Mio. Euro, die sich auf je ca. 1,5 Mrd. Euro für 2008 und 2009 erhöhen. Die Zuckerindustrie erhält im Laufe der vierjährigen Umsetzungsperiode gar einen Betrag von insgesamt ca. 6 Mrd. Euro."

Während die ärmeren, von Zuckerexporten abhängigen Länder durch die EU-Reform verlieren, profitieren allerdings große Zuckerexporteure wie Brasilien oder Thailand vom verbesserten Zugang zum EU-Markt.

po Dossier: Kleine Geschichte des Zuckers

Oxfam: www.oxfam.de
WWF: www.wwf.de


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