gfbv 200Göttingen. - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Dienstag davor gewarnt, die Gewalt in Äthiopien nicht zu verharmlosen. Die Organisation spricht von einem Massenmord an den Oromo. "Das tragische Ende des Erntedankfests der Oromo markiert eine Zäsur", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen.

"Wir befürchten, dass die Proteste weiter zunehmen und weniger friedlich sein werden, weil nicht nur die Oromo, sondern eine breite Bevölkerungsmehrheit in Äthiopien über das menschenverachtende Verhalten der Regierung tief verärgert ist. Denn die Pilger mussten nicht sterben wegen einer bedauerlichen Massenpanik bei einem Großereignis, sondern wegen einer gezielten Provokation der äthiopischen Regierung."

Bis zu 678 Menschen sind nach Informationen der bedeutendsten Oromo-Partei, des Oromo Federalist Congress (OFC), beim Einsatz von Sicherheitskräften beim Erecha-Fest am Sonntag getötet worden. Die Zahl der Opfer drohe noch weiter zu steigen, da sich in den Krankenhäusern noch 400 Schwerverletzte befinden würden, weitere 900 Oromo hätten leichtere Verletzungen erlitten, erklärte heute Mulatu Gemechu, der stellvertretende OFC-Vorsitzende. Die Behörden räumen bisher nur den Tod von 55 Menschen ein.

"Die Behörden trifft eine direkte Verantwortung für den Tod der vielen Menschen, weil sie sich nicht an die mit den Veranstaltern vereinbarten Vorgaben gehalten haben, sich bei diesem religiösen und kulturellen Fest jeder politischen Vereinnahmung zu enthalten", erklärte Delius. Als der Regierung nahestehende Politiker eine Rede vor den Pilgern halten wollten, erhoben sich Sprechchöre für Gerechtigkeit und Demokratie. Auf diese Proteste reagierten die Sicherheitskräfte mit dem Einsatz von Tränengas und scharfer Munition, so dass Panik unter den hunderttausenden Oromo-Pilgern ausbrach.

"Die Situation ist nicht nur für Äthiopiens Regierung hochbrisant, sondern auch für die EU, da bei einer Eskalation der Spannungen und Menschenrechtsverletzungen eine weitere Zunahme der Massenflucht von Oromo und anderen verfolgten ethnischen Gruppen nach Europa zu erwarten ist,“ erklärte Delius. "Die Repression zu ignorieren hilft nicht, sondern ermutigt Äthiopiens Sicherheitskräfte nur zu noch mehr Willkür und Gewalt", erklärte die Menschenrechtsorganisation vor der am kommenden Sonntag beginnenden Afrika-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sie auch nach Äthiopien führen wird.

Laut GfbV hatten die Verantwortlichen für die Ausrichtung der Zeremonie im Rahmen des traditionellen Gadaa-Systems der Oromo die Behörden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um ein religiöses und kulturelles Fest handele, bei der Politik keinen Platz habe. Doch die Behörden bestanden auf Reden offizieller Vertreter und wollten sogar durchsetzen, alle Oromo-Pilger namentlich zu erfassen. Auch mobilisierten sie massiv regierungstreue Oromo und Funktionäre, um bei dem Fest für die Regierungspolitik zu werben. „Diese Provokationen führten dazu, dass zehntausende Oromo lautstark Gerechtigkeit forderten“, sagte Delius.

Am Montag brachen dann Proteste unter anderem in den Städten Ambo, Shashamene, Bischoftu, Arsi Negele, Zway, Gimbi, Meta Robi aus, bei denen weitere Personen getötet und zahlreiche Oromo verhaftet wurden, berichtete die Menschenrechtorganisation. Wütende Demonstranten bewarfen Autos mit Steinen und blockierten Straßen, eine Zollstation und eine Polizei-Dienststelle wurden niedergebrannt.

Quelle: gfbv.de/


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