euBrüssel. - Ein breites Bündnis von Menschenrechtsorganisationen, Richter- und Anwaltsvereinigungen sowie in der Flüchtlingsarbeit tätigen Verbänden hat in einem Aufruf an die 28 europäischen Regierungschefs appelliert, die Reformvorschläge der EU-Kommission zum Dublin-System, das sogenannte Dublin IV, abzulehnen. Dieses regelt die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten für die Durchführung des Asylverfahrens.

Systematisch sollen künftig Schutzsuchende, die in der EU einen Asylantrag stellen wollen, in ein angeblich sicheres Drittland außerhalb der EU zurückgeschickt werden. "Das ist ein Frontalangriff auf das individuelle Recht auf Asyl in der EU. Das Recht auf Asyl in Europa wird mit solchen Vorschlägen ad absurdum geführt. Dublin IV ist nicht nur menschenrechtsfeindlich, es zerstört auch ein Europa der Solidarität", warnte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Der Schutz von Flüchtlingen wird auf die Staaten außerhalb Europas abgewälzt. "Grenzschließungen und Schüsse, wie wir sie an der türkisch-syrischen Grenze erleben, sind die Folge. Europa schaut dem Krieg in Syrien zu und unternimmt nichts, damit die Menschen sich retten können. Nun sollen systematisch auch rechtlich die Wege versperrt werden," so Günter Burkhardt.

Schaffen es Flüchtlinge trotzdem z.B. bis nach Deutschland zu fliehen, so sollen sie in die Grenzstaaten wie z.B. Griechenland, Ungarn oder Bulgarien zurückgeschickt werden - im Unterschied zum jetzigen Recht ohne jegliche zeitliche Befristung. Die Ersteinreisestaaten am Rande Europas bleiben auf ewig für Asylsuchende Asylverfahren zuständig.Brüssel

Die auf dem Tisch liegenden Vorschläge verstoßen eklatant gegen Flüchtlingsrecht und Menschenrecht. "Europa einigt sich auf Kosten der Flüchtlinge und der südeuropäischen Einreisestaaten. Die reichen Industriestaaten im Zentrum und Norden Europas wollen sich der Flüchtlinge entledigen, sich freikaufen und mit Dublin IV den Randstaaten die Verantwortung aufbürden," sagte Burkhardt.

Im Einzelnen kritisieren die Organisationen vor allem:

1. Am Zuständigkeitskriterium der Ersteinreise wird trotz der breiten öffentlichen Kritik festgehalten. Wieder werden die Ersteinreisestaaten der EU überwiegend für die Aufnahme der Flüchtlinge verantwortlich sein. Bestehende Ermessensklauseln und sonstige Möglichkeiten des Zuständigkeitswechsels für die Bearbeitung von Asylanträgen – etwa durch Ablauf von Überstellungsfristen – auch in Härtefällen, sollen nahezu ausgeschlossen werden. Betroffene Asylsuchende haben künftig auch über Jahre keine Möglichkeit mehr, im Staat ihres tatsächlichen Aufenthalts Zugang zu einem Asylverfahren zu erhalten, in dem ihre Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden. Der Staat, der als zuständiger Staat bestimmt wird, bleibt zuständig – auch wenn EU-Standards hinsichtlich der Aufnahmebedingen und der verfahrensrechtlichen Garantien nicht eingehalten werden.

2. Jeder Flüchtling läuft Gefahr, ohne Prüfung der Fluchtgründe in einen Nicht-EU-Staat abgeschoben zu werden, über den er eingereist ist. Die neue Dublin-Verordnung führt verpflichtend die Prüfung von Anträgen auf Unzulässigkeit ein. Damit soll geprüft werden, ob der Antragssteller in einen dritten Staat abgeschoben werden kann. Erfüllt der Antragsteller ein solches Kriterium, darf er nicht im Rahmen des Dublin-Verfahrens in einen anderen EU-Staat verteilt werden. Dies bedeutet, dass hauptsächlich die Staaten an den Außengrenzen der EU die Verantwortung für die Prüfung und ggf. Rückführung abgelehnter Asylsuchender innehaben werden.

3. Mit Sanktionierungen sollen Asylsuchende gezwungen werden, unabhängig von den Aufnahme- und Verfahrensbedingungen im zuständigen Mitgliedstaat zu verbleiben. Halten sie sich nicht im Staat ihrer Zuweisung auf, sollen sie von „materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme“ mit Ausnahme der „medizinischen Notversorgung“ ausgeschlossen werden. Selbst das physische Existenzminimum soll nicht gewährt werden. Dieser Vorschlag verstößt gegen Menschenrechte und widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland. Dies ist menschenunwürdig.

Der Aufruf "Nein zu Dublin IV“ wurde unterzeichnet von: PRO ASYL, Amnesty International, Diakonie Deutschland, der Paritätische Gesamtverband, Arbeiterwohlfahrt, Neue Richtervereinigung, die Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht des Deutschen Anwaltsvereins, der Jesuitenflüchtlingsdienst und der Republikanische Anwaltsverein.

Quelle: proasyl.de/


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