GTOBerlin (epo). - Sie verschanzen sich hinter Felsen oder Abfalleimern, und verrichten mit heruntergelassenen Hosen mitten auf dem Potsdamer Platz im Herzen Berlins ihre Notdurft. 35 lebensgroße Figuren weisen noch bis zum 12. März in einer außergewöhnlichen Ausstellung auf ein handfestes entwicklungspolitisches Problem hin, das gemeinhin selten thematisiert wird: Wo verrichte ich mein Geschäft? Die German Toilet Organization (GTO), 2005 gegründet, will jetzt mit der Tabusierung des Themas Toilette Schluss machen. Denn nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben 42 Prozent der Weltbevölkerung noch immer ohne grundlegende sanitäre Einrichtungen. Und nur wenige Monate vor der Fußball-WM sind laut GTO auch in Deutschland öffentliche sanitäre Anlagen häufig mangelhaft.

Die Installation auf dem Potsdamer Platz soll die Besucher neugierig machen und das Thema Toilettengang in die öffentliche Diskussion bringen. "Auch in Deutschland sind öffentliche Toiletten oft nicht funktional und werden ineffektiv betrieben", sagt GTO-Vorstandsvorsitzender Thilo Panzerbieter. Zukunfsorientierte Konzepte, die Abwässer als Ressource statt als Abfall ansehen, seien auch in Deutschland selten.

Noch viel drängender ist das Problem in Entwicklungsländern. 2,6 Milliarden Menschen verfügen nicht über sanitäre Einrichtungen, täglich sterben 6.000 Kinder an Durchfallerkrankungen, die häufig durch mangelnde Hygiene und unsaubere Abwässer verursacht werden. Die GTO hat erste Projekte in Sambia, China und im Rahmen der Tsunami-Hilfe in Sri Lanka in Angriff genommen.

Unterstützt wird sie dabei von der World Toilet Organization, einer in Singapur ansässigen NGO. Deren Gründer Jack Sim, Gewinner des "Social Entrepreneur of the Year" Award, verwies in Berlin darauf, viele gefährliche Krankheiten wie SARS könnten durch unsaubere Klosetts übertragen werden. "Better toilets for everyone" lautet der Slogan der Organisation, der heute 50 Organisationen, Regierungsbehörden und Universitäten aus aller Welt angehören.

Die World Toilet Organization hat unlängst ein "World Toilet College" ins Leben gerufen, um Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der ökologischen Kanalisation aufzubauen und zu verbreiten. Die Ausbildungseinrichtung wird von dem deutschen Biogas- und Wasserexperten Prof. Dr. Heinz-Peter Mang geleitet.

"Ein Mensch geht durchschnittlich sechsmal am Tag auf die Toilette. Die Toilette ist Teil der Lebenskultur. Toiletten sind eine Notwendigkeit und ein grundsätzliches Menschenrecht", so Jack Sim. "Toiletten bedeuten Würde und sind ein Symbol des Fortschritts einer Gesellschaft."

GTO Ausstellung
Thilo Panzerbieter, Uschi Eid und Jack Sim (v.l.) bei der Eröffnung
der GTO-Ausstellung "Sanitation is Dignity"
auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Foto ? epo.de

Die Berliner GTO-Ausstellung "Sanitation is Dignity - Where would you hide?" soll u.a. auch in Amsterdam und Zürich zu sehen sein. Entworfen wurde die Kampagne von den Berliner Werbeagenturen "mediaroom netzwerk" und "bundesamt für gestaltung".

Die Aktivitäten der deutschen GTO werden vom Hygiene-Unternehmen CWS finanziell unterstützt, das sich die Ausstellung auf dem Potsdamer Platz 30.000 Euro kosten liess. Jede CWS-Handtuchrolle in öffentlichen Toiletten und Waschräumen ersetzt rund 40.000 Papierhandtücher - wofür CWS als erster deutscher Waschraumservice das Umwelt-Gütesiegel "Blauer Engel" erhielt. CWS unterstützt auch den jährlichen "World Toilet Day" und die Jahreskonferenzen der World Toilet Organization.

Politische Rückendeckung erhielt die GTO von der grünen Bundestagsabgeordneten Uschi Eid, die auf die mangelnde Bereitschaft von Politikern verwies, sich mit dem nicht gerade prestigeträchtigen Thema zu befassen. Eid setzt sich als Vizevorsitzende des von UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufenen "UN Water and Sanitation Boards" für ökologisch tragfähige Lösungen in den Bereichen Sanitärversorgung und Abwassermanagement ein.

"Allen muss klar sein, dass der Großteil der Millennium Development Goals nicht erreicht werden kann, wenn sich die weltweite Sanitärversorgungssituation nicht entscheidend verbessert", betonte Uschi Eid.

Hierfür müssten allerdings weltweit 500.000 Toiletten pro Tag gebaut werden - ein fast unmögliches Unterfangen. Die deutsche Bundesregierung fördert immerhin das "ecosan"-Programm (Ecological Sanitation), das Konzepte zur Rohstoff-Verwertung menschlicher Fäkalien entwickelt und propagiert. Vor allem in den Ländern des Südens werden aber weiterhin viele Menschen nicht dorthin gehen können, wo nach dem deutschen Volksmund "der Kaiser zu Fuß hingeht": aufs Klo.

German Toilet Organization
World Toilet Organization


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