aerzte ohne grenzenBerlin. - Zwei Jahre nach dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgehandelten EU-Türkei-Deal herrschen in den überfüllten EU-Hotspots für Asylsuchende auf den griechischen Inseln sehr schlechte Lebensbedingungen und Gewalt. Trotzdem steigt die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge, allein in den ersten beiden Märzwochen kamen 589 Menschen neu auf den Inseln an. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sieht den EU-Türkei-Deal aus humanitärer Perspektive deshalb als gescheitert an.

Die EU-Hotspots auf Lesbos und Samos seien überfüllt, berichtete Ärzte ohne Grenzen. In Lesbos lebten 5.400 Menschen in einem Lager für höchstens 2.300 Personen, in Samos 2.000 Menschen in einem Lager für höchstens 700 Personen. Die Lebensbedingungen seien inakzeptabel. Im Hotspot Moria auf Lesbos gebe es oft kein fließendes Wasser, Toiletten und Waschräume seien oft nicht benutzbar und verdreckt. Immer wieder würden die Teams von Ärzte ohne Grenzen zu Zeugen von Gewalt. Es gebe in den Lagern keinerlei Vorkehrungen, um besonders verletzliche Menschen wie Kinder und Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen. Am vergangenen Mittwoch kam es in Moria erneut zu Ausschreitungen. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen behandelten 19 Patienten mit Panikattacken oder weil sie Tränengas ausgesetzt wurden – darunter elf Kinder und ein sechs Monate altes Baby.

Selbst eine grundlegende Gesundheitsversorgung ist laut Ärzte ohne Grenzen nicht gewährleistet. Die Hilfsorganisation hatte sich im März 2016 aus Protest gegen den EU-Türkei-Deal aus dem Lager Moria auf Lesbos zurückgezogen. Derzeit betreibt Ärzte ohne Grenzen vor den Toren des Lagers eine Klinik. Die Ärzte dort behandeln sehr viele Kinder unter fünf Jahren, die auf Grund der schlechten Lebensbedingungen oft mehrfach mit Atemwegserkrankungen, Durchfall und Hautkrankheiten in die Klinik gebracht werden.

In den Lagern auf den griechischen Inseln herrsche ein psychosozialer Notstand, konstatierte Ärzte ohne Grenzen. Die schlechten Lebensbedingungen, die Unsicherheit über ihre Zukunft und Gewalterfahrungen in ihrer Heimat und auf der Flucht führten zu massiven psychischen Beschwerden. Erst vergangene Woche hätte erneut zwei junge Männer in Moria versucht, sich durch einen Stromschlag das Leben zu nehmen. 

"Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die jegliche Hoffnung und ihr Gefühl von Würde verloren haben", sagte Aliki Meimaridou, Psychologin von Ärzte ohne Grenzen. "Menschen, die Folter und Gefangenschaft in ihren Heimatländern überlebt haben, machen diese traumatischen Erlebnisse jetzt erneut durch. Sie erzählen mir: Ich habe alles getan, um Gewalt und Missbrauch zu entkommen, und jetzt bin ich wieder eingesperrt und lebe in Angst und Unsicherheit."

Florian Westphal, Geschäftsführer Ärzte ohne Grenzen Deutschland, erklärte: "Der EU-Türkei-Deal ist alles andere als ein Erfolg. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben aus humanitärer Sicht versagt – allen voran die Bundesregierung, die diesen Deal auf Kosten der Flüchtenden maßgeblich ausgehandelt hat. Die Kliniken von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos, Chios und Samos sind überfüllt mit verzweifelten Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, und die fürchten, zurückgeschickt zu werden. Sie haben jegliche Hoffnung verloren, Frieden für sich und ihre Kinder zu finden." 

Der EU-Türkei-Deal sei keine Abmachung, die darauf abzielt, Bedürftige zu schützen, betonte Westphal. "Es ist eine Abmachung, die andere von dieser Überfahrt abhalten soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat immer wieder gesagt, das Türkei-Abkommen würde aus irregulärer Migration legale Migration machen. Da es aber keine Alternative gibt, riskieren weiterhin täglich Familien aus Ländern wie Syrien, dem Irak und Afghanistan alles, um Griechenland zu erreichen. Die EU-Verantwortlichen behaupten, Menschen zu schützen, indem sie Grenzen sichern. Dies ist nicht nur falsch, sondern es funktioniert auch nicht." 

Ärzte ohne Grenzen fordert von der EU und ihren Mitgliedstaaten, die Übersiedlungen von Asylsuchenden auf das griechische Festland auszuweiten, Übersiedlungen von Asylsuchenden in andere EU-Staaten (Relocation) wiederaufzunehmen, zusätzliche Wohnmöglichkeiten auf dem griechischen Festland zu schaffen und auf den griechischen Inseln die medizinische und humanitäre Versorgung zu verbessern.

Quelle: www.aerzte-ohne-grenzen.de 


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