Berlin. - Bei der letzten Verhandlungsrunde einer Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats vom 9. bis 13. April in Genf haben die EU und Deutschland eine Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, aus der Sicht von NGOs torpediert. Grundlegende Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen würden dadurch nicht anerkannt. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus Bauernorganisationen, entwicklungspolitischen und Menschenrechtsorganisationen hat die EU und Deutschland jetzt aufgefordert, sich für eine Erklärung einzusetzen, die die Rechte der ländlichen Bevölkerung stärkt.
"Leider hat sich die Bundesregierung nicht direkt in die Verhandlungen eingebracht, sondern hat sich von der EU vertreten lassen. Diese brachte vor allem Vorschläge ein, die die Wirkkraft der Erklärung schwächen würden", erklärte FIAN-Referentin Gertrud Falk. Die EU weigere sich bisher, grundlegende Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen anzuerkennen, wie zum Beispiel das Recht auf Saatgut, das Recht auf Land oder auf eine gesunde Umwelt, obwohl diese Rechte Voraussetzung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte dieser Bevölkerungsgruppe seien.
"Ohne Land und ein funktionierendes Ökosystem kann keine Nahrung angebaut werden", sagte Falk. "Das Recht auf angemessene Nahrung hängt unmittelbar von diesen beiden Rechten ab." Darüber hinaus habe die EU gemeinschaftliche Rechte abgelehnt. "Kleinbauern leben und arbeiten in vielen Regionen der Welt als Gemeinschaft und pflegen auch ihre natürlichen Ressourcen gemeinschaftlich. Rechte werden ihnen oft als Gemeinschaft streitig gemacht und müssen deshalb auch als gemeinschaftliche Rechte geschützt werden", so Falk. Auch in vielen Gebieten Europas würden Weideland, Wasserquellen sowie Fischgründe gemeinschaftlich genutzt.
"Wir Bauern und Bäuerinnen kultivieren seit Jahrtausenden Saatgut und garantieren damit eine Sortenvielfalt, die für nährstoffreiche Nahrungsmittel, biologische Vielfalt und Anpassungen an Klimaveränderungen sorgt. Dennoch will die EU unser Recht auf Saatgut nicht anerkennen", kritisierte die Bäuerin Paula Gioia, die für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit am Verhandlungstisch saß, das EU-Verhalten. "Die Agrarindustrie treibt überall auf der Welt die Vereinheitlichung von Landwirtschaft und Nahrungsmitteln voran. Dazu reißt sie zunehmend die Kontrolle über die landwirtschaftlichen Grundlagen wie Land, Wasser und Saatgut an sich. Staaten lassen dies zu und begünstigen es sogar durch ihre Politik. Unser Recht auf Ernährungssouveränität muss dagegen geschützt werden", forderte Gioia. "Dazu braucht es dringend die Unterstützung auch der Bundesregierung und der EU für eine starke UN-Erklärung."
Hintergrund der UN-Erklärung sind die weltweit zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen der ländlichen Bevölkerung. Unter Leitung von Bolivien diskutierten VertreterInnen von Regierungen, Kleinbauernverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen die 28 Artikel und die Präambel des aktuellen Entwurfs der Erklärung. Unterstützt wurden sie dabei von VölkerrechtlerInnen und anderen ExpertInnen. Als Mitglieder eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses hatten VertreterInnen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und von FIAN an den Verhandlungen teilgenommen. Die UN-Erklärung wird voraussichtlich im Juni 2018 dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zur Annahme vorgelegt.
Quelle: www.fian.de