fianlogo klKöln. - In einer neuen Studie erhebt die Menschenrechtsorganisation FIAN den Vorwurf, dass internationale Investmentfonds und Pensionskassen die Existenz ländlicher Gemeinden im Nordosten Brasiliens zerstören. Die massive Ausweitung der Agrarwirtschaft in der Region Matopiba – einer Fläche von rund 73 Millionen Hektar in den Bundesstaaten Maranhão, Tocantins, Piauí und Bahía – schädige lokale Ökosysteme und bedrohe die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Auch führe der Ausbau der industriellen Landwirtschaft, vor allem von Soja, zu extremer Entwaldung.

Die Matopiba-Region beherbergt laut FIAN rund fünf Prozent der weltweiten Biodiversität und ist somit ökologisch ebenso wichtig wie das Amazonasgebiet. Pensionsfonds aus den USA und Europa haben der Studie zufolge Hunderte von Millionen Dollar in brasilianisches Ackerland investiert. 

Allein der US-amerikanische Investor TIAA, in den FIAN zufolge u.a. die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, der Pensionsfonds AP2 der schwedischen Regierung sowie der niederländische Pensionsfonds ABP investiert haben, habe in Brasilien fast 300.000 Hektar Agrarflächen gekauft. "Die Fonds sind zwar nicht selbst an der Vertreibung der örtlichen Bevölkerung beteiligt, aber sie sind ein wesentlicher Bestandteil dieser destruktiven Entwicklung. Denn die Pensionskassen profitieren unmittelbar von Bodenspekulation und steigenden Grundstückspreisen", erklärte Philip Seufert von FIAN International.

Die Heimatstaaten der Fonds – darunter Deutschland – haben es aus der Sicht von FIAN versäumt, eine wirksame Regulierung zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten einzuführen; stattdessen setzten sie auf freiwilliges Engagement der Investoren. "Ein solcher Ansatz überlässt die Rolle des Schiedsrichters ausgerechnet denjenigen Akteuren, die in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Hierdurch verletzen die beteiligten Staaten ihre menschenrechtlichen Pflichten. Die Renten in den USA und Europa dürfen nicht auf dem Rücken ländlicher Gemeinden in Brasilien gesichert werden", sagte Seufert.

Roman Herre von FIAN Deutschland forderte eine staatliche Regulierung von Auslandsinvestitionen, speziell von Pensionsfonds: "Deutsche Aufsichtsbehörden dürfen nicht nur – wie bisher – den Werterhalt solcher Anlagen prüfen, sondern müssen sie auch auf die Einhaltung von Menschenrechten abklopfen und notfalls haftbar machen". Pensionsfonds halten derzeit weltweit über 40 Billionen US-Dollar und haben sich innerhalb weniger Jahre zu einem Schwergewicht der Finanzbranche entwickelt. "Eigentlich wäre es die Aufgabe deutscher Behörden, Untersuchungen zu den menschenrechtlichen Risiken solcher Auslands-Investitionen durchzuführen", sagte Herre.

Bis Januar 2019 muss die Bundesregierung die EU-Richtlinie über die "Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung" (EbAV II-Richtlinie) in nationales Recht überführen. FIAN Deutschland hat in der vergangenen Woche eine Stellungnahme beim Bundesfinanzministerium eingereicht, in der eine Einhaltung der Menschenrechte bei Investitionen von Pensionsfonds gefordert wird.

Die von FIAN und rund 30 Partnergruppen aus Europa, den USA, Kanada und Brasilien veröffentlichte Studie zeigt, dass in Brasilien ganze Gemeinden vertrieben werden. Böden und Gewässer werden durch Agrarchemikalien kontaminiert. Viele Betroffene verlieren ihre Existenz und wandern in die Städte ab, wo sie in Slums ihre Existenzen in prekären oder illegalen Verhältnissen zu sichern versuchen; als Alternative bleibt meist nur die Arbeit unter prekären, oft sklavenähnlichen Bedingungen in den Agrarbetrieben, die nun ihr ehemaliges Land besetzen. Zugleich nimmt die Gewalt gegen kommunale Anführer zu – allein im vergangenen Jahr wurden in Brasilien 70 Menschenrechts-VerteidigerInnen ermordet.

"Die Landnahme selbst erfolgt meist durch lokale Akteure. Dahinter stehen jedoch in vielen Fällen internationale Investoren. Wesentlicher Bestandteil dieses Geschäfts ist die Fälschung von Landtiteln zur Aneignung von illegal angeeignetem Land", so Isolete Wichinieski von der Comissão Pastoral da Terra (CPT), einer brasilianischen Organisation, die eng mit ländlichen Gemeinden zusammenarbeitet. "Die Einheimischen besitzen selten formelle Landtitel, aber das brasilianische Recht erkennt die Rechte an, die sie durch die Nutzung ihres Landes über Generationen hinweg erworben haben", so Wichinieski. 

Fábio Pitta vom brasilianischen Network for Social Justice and Human Rights sagte: "Die Matopiba-Region ist Zeuge einer Umwandlung von Land in ein finanzielles Gut. Dieser Prozess ist eine direkte Folge des wachsenden Einflusses der globalen Finanzwirtschaft". Die brasilianischen Regierungen hätten die Expansion des Agribusiness durch erhebliche Subventionen gefördert; die großen Sojamonokulturen erreichten die Matopiba-Region etwa seit dem Jahr 2000. "Internationale Investoren finanzieren seit jeher die agroindustrielle Produktion Brasiliens. Neu ist, dass seit der Finanzkrise vor zehn Jahren das Land selbst zum Ziel von Finanzakteuren geworden ist - unabhängig von der agroindustriellen Produktion darauf", so Pitta.

=> Studie 

Quelle: www.fian.de 


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