Berlin. - Vor der COP 24 Klimakonferenz in Katowice hat der neue Sachstandsbericht des Weltklimarates deutlich gemacht, dass umgehende und weitreichende Maßnahmen nötig sind, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat die Berliner NGO Facing Finance am Mittwoch eine 58-seitige Studie veröffentlicht, die insbesondere den Beitrag der Finanzwirtschaft zur Erreichung dieser Ziele beleuchtet.
Die Studie untersucht die sozialen und ökologischen Probleme, die mit den für die Herstellung kohlenstoffarmer, grüner Technologien benötigten Rohstoffen einhergehen, ohne die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Energie- und Mobilitätswende in Frage zu stellen. Ziel der Studie ist es stattdessen, diese Wende hin zu kohlenstoffarmen Technologien in allen Aspekten nachhaltig zu gestalten, Verantwortlichkeiten zu benennen und dabei alle relevanten Akteure einzubinden.
"Grüne Technologien wie Windkraft, Solarenergie und Elektromobilität sind unverzichtbar, will die internationale Völkergemeinschaft die globale Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius beschränken. Aber auch bei diesen Technologien müssen wir im Blick halten, ob ihre Produktion ökologisch und sozial nachhaltig ist", erklärte Christiane Overkamp, Geschäftsführerin der Stiftung Umwelt und Entwicklung. Die Stiftung ist Ko-Finanzierer des von Facing Finance koordinierten Projektes Fair Finance Guide Deutschland, in dessen Rahmen die Studie erstellt wurde.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass fast alle Rohstoffe, die für grüne Technologien benötigt werden, konfliktbehaftet sind. Während grüne Technologien in der Nutzungsphase im Vergleich zu herkömmlichen Technologien ohne Rohstoffe auskommen, haben sie in ihrer Herstellung einen deutlich höheren Rohstoffbedarf. Die Studie analysiert daher eine Vielzahl verschiedener Rohstoffe, die für die Herstellung grüner Technologien nach dem Stand der aktuellen Technik unabdingbar sind. Sie verweist darauf, dass nicht nur Kobalt aus der DR Kongo, Seltene Erden aus China oder Lithium aus Südamerika, die bereits seit Längerem im Fokus der Öffentlichkeit stehen, mit sozialen und ökologischen Problemen behaftet sind. Auch die Gewinnung von Graphit sowie von Grundmetallen wie Eisen, Kupfer und Aluminium verursacht eine Reihe von sozialen und ökologischen Problemen in den Abbauländern (z.B. Indien oder Guinea), so ein weiteres, zentrales Ergebnis der Untersuchung.
"Leider sind auch grüne Technologien auf bestimmte Minerale und Metalle angewiesen, deren Gewinnung häufig mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Zusammenhang steht", sagte Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance. Küchenmeister fordert zudem, dass die Hersteller grüner Technologien verstärkt ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen müssen, um die Auswirkungen des Abbaus dieser Rohstoffe angemessen zu überprüfen. Die Studie zeigt jedoch, dass weder der Gesetzgeber noch die Hersteller dieser grünen Technologien bislang ausreichend Maßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen entlang der Lieferkette von grünen Technologien zu verringern oder zu vermeiden.
Daher will die Studie insbesondere auch Banken als maßgebliche Akteure in der Energie- und Mobilitätswende möglichst frühzeitig für die mit grünen Technologien verbundene Problematik sensibilisieren. Es wird hier auf den EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen verwiesen, der diesbezüglich Finanzinstituten eine wichtige Rolle zuschreibt. Obwohl es zu begrüßen ist, dass deutsche Banken grüne Technologien aktuell im Umfang von annähernd 40 Milliarden Euro finanzieren, werden sie damit jedoch nach Ansicht von Facing Finance noch nicht ausreichend ihrer Verantwortung gerecht. "Banken müssen auch bei Finanzierungen im Zusammenhang mit grünen Technologien die potentiellen negativen Auswirkungen entlang der Lieferketten überprüfen, und diese nicht als pauschal positiv darstellen", forderte Sarah Guhr von Facing Finance und Autorin der Studie.
Darüber hinaus mache der Umfang "grüner" Finanzierungen bislang nur einen kleinen Anteil des gesamten Finanzierungsvolumens deutscher Banken aus. "Konventionelle Banken stellen derzeit nur rund 2-3 Prozent ihres Kreditvolumens für erneuerbare Energien bereit, während Alternativbanken auf einen Anteil zwischen 20 und 30 Prozent kommen", so Thomas Küchenmeister. "Insbesondere vor dem Hintergrund weiterhin fehlender Ausschlüsse von Kohle-, Öl- und Gasunternehmen, greift die Kreditvergabepraxis der konventionellen Banken für erneuerbare Energien deutlich zu kurz."
=> Studie "Neue Technologien und alte Probleme?"
Quelle: www.facing-finance.org