berlin institutBerlin. - Nirgendwo sonst auf der Welt wächst die Bevölkerung so rasch wie in Afrika – bis 2050 wird sie sich fast verdoppeln. Die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln, Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen sowie die Schaffung ausreichender Arbeitsplätze überfordert viele Staaten Afrikas schon heute. Laut einer neuen Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigen einige regionale Vorreiterstaaten jedoch, wie eine umsichtige Demografiepolitik zu sinkenden Kinderzahlen beitragen kann und welche Faktoren dabei entscheidend sind.

Afrikas starkes Bevölkerungswachstum stellt eine enorme Herausforderung für den Kontinent dar. Die anhaltend hohen Kinderzahlen machen es zunehmend schwerer, die nachwachsenden Generationen mit dem Nötigsten zu versorgen. Derzeit können über 37 Millionen Grundschulkinder in Afrika nicht zur Schule gehen und mit jedem Jahr erreichen weitere fünf Millionen Kinder das Alter, in dem sie eingeschult werden sollten. Selbst wenn sie eine Schule abschließen können, wartet schon die nächste Hürde: Jährlich wächst die Gruppe der jungen Erwerbsfähigen zwischen 15 und 35 Jahren um zehn bis zwölf Millionen, während im gleichen Zeitraum auf dem gesamten Kontinent nur etwa drei Millionen formale Arbeitsplätze neu entstehen.

Dies zeigt laut Berlin-Institut, dass die meisten afrikanischen Staaten in einem Problemkreislauf aus hohem Bevölkerungswachstum und anhaltender Armut stecken. Um ihm zu entkommen, müssten zunächst einmal die Kinderzahlen sinken. Dann würde sich zum einen der Versorgungsdruck verringern und zum anderen die Altersstruktur der Bevölkerung wandeln. Denn weniger Nachwuchs bedeutet, dass die letzten geburtenstarken Jahrgänge ins Erwerbsalter hineinwachsen und der Wirtschaft überproportional viele potenzielle Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, die nur wenige Kinder und Senioren zu versorgen haben. Dieser "demografische Bonus" lässt sich in einen Entwicklungsschub verwandeln, wenn die jungen Menschen auch eine Beschäftigung finden. In den asiatischen Tigerstaaten hat sich dadurch eine Dynamik entfaltet, die breiten Teilen der Bevölkerung zu einem höheren Lebensstandard verholfen hat. Sie haben eine "demografische Dividende" eingefahren.

Die meisten Länder Afrikas sind von der Altersstruktur eines demografischen Bonus noch weit entfernt, so das Berlin-Institut. Doch einige weisen bereits niedrige Geburtenziffern auf, während andere aktuell einen raschen Rückgang der Kinderzahlen erleben. Die Studie "Afrikas demografische Vorreiter. Wie sinkende Kinderzahlen Entwicklung beschleunigen" untersucht sieben dieser Vorreiter und erklärt, welche Umstände dort direkt oder indirekt zu sinkenden Kinderzahlen beigetragen haben. Die Erfahrungen aus Tunesien, Marokko, Botsuana, Ghana, Kenia, Äthiopien und Senegal zeigen: Kinderzahlen gehen zurück, wenn es Staaten gelingt, ein wirkungsvolles Gesamtkonzept zu entwickeln, das zu Fortschritten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und bei der Schaffung von Arbeitsplätzen führt. Auch ein besserer Zugang zu Familienplanungsmethoden und mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern gehören zu diesem Gesamtpaket.

Für jene Länder Afrikas, die in ihrer demografischen Entwicklung weniger weit fortgeschritten sind, bieten die Erfahrungen dieser Vorreiter wichtige Lehren für eigene bevölkerungspolitische Maßnahmen. Sie können daraus ableiten, wie sich die demografische Zukunft ihrer Länder steuern lässt, und die Weichen für einen sozioökonomischen Aufstieg stellen. Die internationale Staatengemeinschaft sollte sie gezielt dabei unterstützen, Fortschritte in den genannten Kernentwicklungsbereichen Gesundheit, Bildung und Arbeitsplätze zu erzielen, um damit die Wirtschaft zu befördern und die Geburtenziffern sinken zu lassen, erklärte das Berlin-Institut.

Zudem gelte es die Thematik des Bevölkerungswachstums stärker ins Zentrum der außen- und entwicklungspolitischen Debatten zu rücken. "Wie viele Kinder sich die Menschen wünschen und bekommen ist ein sensibles und sehr privates Thema", sagte Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts. "Aber es wird zu einem gesamtgesellschaftlichen und politischen Thema, wenn dadurch die Entwicklung ganzer Staaten beeinflusst wird. Es auszublenden hilft keinem der Beteiligten, vor allem nicht den betroffenen Ländern selbst."

Die Studie rät dazu, offen, klar und pragmatisch über die Herausforderungen eines hohen Bevölkerungswachstums zu diskutieren, um dann nach Mitteln und Möglichkeiten zu suchen es demokratisch und menschenwürdig zu reduzieren. Dies sei die Grundlage dafür, dass sich die Lebensbedingungen in den betroffenen Staaten verbessern können. Auch Deutschland sollte dazu beitragen, sachliche Diskussionen darüber auf internationalem Parkett salonfähig zu machen.

=> Studie "Afrikas demografische Vorreiter"

Quelle: www.berlin-institut.org 


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